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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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den Statthalter zu begrüßen. Der Prokonsul war direkt vom Palast hergekommen, begleitet von seinen Liktoren. Er trug dieselbe Toga, in der ich ihn gesehen hatte, keinen militärischen Brustpanzer mit Umhang. Das Regieren senatorischer Provinzen ist ein rein ziviles Amt.
    In der Tat bestand seine Rolle darin, wie wir bald erkannten, als Gallionsfigur zu dienen. Die Crème von Corduba hatte ihn als Ehrenmitglied ihres exklusiven, hochrangigen baetischen Clubs willkommen geheißen. Er saß auf seinem Thron im Mittelpunkt der ersten Reihe, flankiert von gutgekleideten Familien, die sich unterhielten, über die Reihen hinweg begrüßten – sogar dem Pontifex mitten während der Opferung etwas zuriefen –, als sei das ganze Fest ihr eigenes privates Picknick.
    »Das macht mich krank!« murmelte ich. »Der römische Prokonsul ist von den herrschenden Familien geschluckt und gehört so eng zur örtlichen Clique, daß er wahrscheinlich leicht vergißt, wer ihm sein Gehalt zahlt – nämlich die römische Staatskasse.«
    »Man kann sehen, was da vorgeht«, stimmte Helena kaum weniger erbost zu. »Bei jedem öffentlichen Anlaß haben die gleichen paar Männer das Sagen. Die immer gleichen Gestalten nehmen die besten Positionen ein. Sie sind unglaublich reich. Sie sind total organisiert. Ihre Familien sind durch Eheschließungen fest miteinander verbunden. Ihre Ambitionen mögen manchmal aufeinander prallen, aber politisch bilden sie eine Einheit. Diese Leute in der ersten Reihe betrachten die Führung Cordubas als ihr Erbrecht.«
    »Und in Gades, Astigi und Hispalis wird es nicht anders sein – einige der Gesichter werden auch dort auftauchen, weil verschiedene der Männer nicht nur an einem Ort zu den Mächtigen gehören. Einige besitzen bestimmt Land in mehreren Bezirken. Manche werden reiche Frauen aus anderen Städten geheiratet haben.«
    Während der Opferung verfielen wir in Schweigen. Bei der Annektion ausländischer Provinzen war es üblich, örtliche Götter dem römischen Pantheon anzugleichen oder sie einfach hinzuzufügen. Und so empfingen bei der heutigen Parilia-Zeremonie zwei keltische Gottheiten mit unaussprechlichen Namen ein üppiges Opfer, dann wurde Jupiter ein etwas mageres Lamm zugestanden. Aber die Baeticaner trugen seit Jahrzehnten römische Kleidung und sprachen Latein. Ihre Provinz war eine der am stärksten romanisierten. Und genau wie den Patriziern in Rom war es ihnen so selbstverständlich wie das Spucken, daß sich die Lokalpolitik fest in den Händen einer kleinen Gruppe mächtiger Familien befand.
    »Es ist nicht zu übersehen«, murmelte ich Helena zu. »Ich wette, der Statthalter geht zu all ihren Festgelagen, und wenn er dann einen Empfang gibt, stehen die gleichen Leute auf seiner Gästeliste. Dieses Volk wird einmal in der Woche im Palast zusammenströmen und sich den Bauch mit Leckerbissen und kostenlosem Wein vollschlagen. Niemand sonst erhält Zugang zu ihren Kreisen.«
    »Wenn man hier lebt und zu ihrem illustren Zirkel gehört, ist man gezwungen, ständig mit der gleichen erstickenden Gruppe zu verkehren.« Diese öde Aussicht blieb mir als staubigem Plebejer erspart – und Helena war in dem Moment von der Einladungsliste gestrichen worden, als der Prokonsul Laetas Brief über mich gelesen hatte.
    »Ich bin nur erstaunt, daß der Alte so offen mit mir war!« murmelte ich.
    Helena schaute besorgt. »Bedauerst du es, daß du ihn aufgesucht hast?«
    »Nein. Ich vertrete Laeta, ich mußte mich bei ihm melden. Es war kein Risiko; er ist einer von Vespasians Männern. Aber nachdem ich gesehen habe, mit welchem Klüngel er zusammengluckt, werde ich mich von ihm fernhalten.«
     
    Die Theatervorführungen begannen. Sie bestanden aus kurzen Szenen oder Tableaus, die als passend für die hehren Feierlichkeiten erachtet worden waren. Wenig Inhalt und noch weniger Humor. Ich hatte aufregendere Theateraufführungen gesehen, hatte sogar selbst ein besseres Stück geschrieben. Niemand würde sich hier vor Lachen oder Spannung in die Hose machen.
    Eine Zeitlang sahen wir pflichtschuldig zu. Ich hatte in der Armee gedient und war geschult darin, Elendszeiten zu überstehen. Schließlich machte Helena schlapp und sagte, sie wolle nach Hause. »Ich sehe nicht, welchen Zweck das Warten haben soll. Annaeus wird in all dem Trubel hier nie mit dir reden.«
    »Nein, aber da er Duovir ist, muß er ein Haus innerhalb einer Meile der Stadtgrenze besitzen. Er wird heute abend bestimmt dort sein. Dann

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