Zwielicht über Westerland
ihn war.
Langsam liefen sie in Richtung Bahnhof zu den Taxen.
„Weißt du, was Pellgren von ihr wollte?“ Er schien sich ernsthaft Sorgen zu machen.
Was hatte Jan ihm erzählt? Sie bewegte sich auf dünnem Eis, das war ihr klar. Zum Glück war sie wieder ziemlich nüchtern. Viel lieber hätte sie über sich und Matt gesprochen.
„Was hat Jan dir denn bereits erzählt?“, fragte sie so unbedarft wie möglich.
„Dein Bruder sagte, der Typ hat sie bedrängt und ihr die Medikamente geklaut. Ich versteh gar nicht, wie das durchsickern konnte. Ich hätte ihr natürlich nicht einfach was geben dürfen. Ich weiß, das ist verboten. Wahrscheinlich will Pellgren was über mich in der Hand haben, um mich gefügig zu machen.“
„Na, da soll er erstmal was beweisen. Ob er weiß, dass du hier bist?“ „Keine Ahnung. Es tut mir so Leid für Vanessa. Jan sagt, sie ist bereits weg von hier. Das hab ich nicht gewollt. Hast du Angst, mit mir gesehen zu werden?“
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, zumal er ihre behandschuhte Hand genommen hatte. Sollte sie ihm sagen, dass sie sich fürchtete? Sollte sie ihm von der Brutalität des Überfalls auf Vanni erzählen? Nein, es war zu früh. Wahrscheinlich würde er sich dann ganz von ihr zurückziehen. Sei es aus Schutz oder Furcht, er würde Konsequenzen ziehen.
„Na, wer wird schon gern mit Amis gesehen?“, neckte sie ihn. Es war eine willkommene Gelegenheit, das Thema zu wechseln.
Mit großen Augen spielte er den Entrüsteten.
„Also wenn mich meine amerikanischen Freunde heute gesehen hätten… Ihr seid unglaublich laut auf der Straße gewesen.“
„Nicht sehr besinnlich, was?“, kicherte sie.
Sie stellten sich vor einen Teeladen und begutachteten die weihnachtliche Auslage. Matt starrte auf einen großen nickenden Weihnachtsmann und fragte, ohne sie anzusehen: „Hast du daran geglaubt, dass ich wiederkomme?“
Sie wollte wenigstens in dieser Sache ehrlich sein.
„Ich habe es gewusst, weil du mir dein Wort gegeben hast. Wenn ich gewusst hätte, dass du heute kommst, wäre ich nicht auf diese blöde Weihnachtsfeier gegangen.“
„Oh, dann hätte ich niemals die schöne Frieda kennen gelernt und ihren guten Rum.“
Das war nicht unbedingt die Antwort, die sie sich gewünscht hatte. „Wirst du wieder im Kliniklabor arbeiten, mit dem Professor?“
„Nein, ich werde hier alles zusammenpacken. Mein Onkel und ich arbeiten zu Hause, also ich meine in Amerika, weiter. Ich habe hier an Sachen gerührt... Ich weiß auch nicht.“
Es war idiotisch, was wollte sie ihn fragen? Was ist mit uns? Das war nach einem zarten Küsschen wirklich albern. Langsam fragte sie sich, ob ihre Liebe mehr in ihrem Kopf stattgefunden hatte als in der Realität.
„Das ist schade.“ Sie schluckte. „Dann feierst du wohl Weihnachten mit deinen Freunden.“
Er sah sie schief lächelnd an.
„Also ich bin Weihnachten hier auf der Insel bei meinem Onkel. Er fliegt am 24. zu meinen Eltern. Ich bleibe noch bis zum neuen Jahr.“
„Oh, toll.“ Sehr begeistert klang es allerdings nicht, darum setzte sie schnell nach: „Deine Eltern werden dich sicherlich vermissen.“
Eine Horde angetrunkener Männer kam ihnen entgegen, die sicherlich auch eine Weihnachtsfeier hinter sich hatten. Matt legte einen Arm um sie.
„Meine Eltern haben mir erzählt, dass ihr viel ruhiger Weihnachten feiert. Nicht so fröhlich, wie bei uns.“
Sie zuckte die Achseln, weil sie keine Lust hatte, über Weihnachtsbräuche zu reden.
„Ich mag Weihnachten nicht besonders.“ Sie hoffte, das Thema damit abzuhaken.
„Uhh, das ist nicht gut, Sophie. Was sagt deine Familie dazu?“
„Ich habe nur noch Jan und der ist eher der laute Weihnachtstyp, wie die da.“ Sie wies mit dem Kinn auf die johlenden Männer, die abwechselnd aus einer Flasche irgendeinen Schnaps tranken.
„Er ist jung. Lass ihn, das ist okay.“ Matt grüßte mit erhobener Hand und Sophie hoffte, die Männer würden es nicht als Aufforderung betrachten.
„Dein Bruder ist sehr nett gewesen. Wir werden uns noch einmal treffen, bevor ich abfahre. Wir werden über Vanessas Erkrankung reden. Ich könnte ihr helfen, wenn sie irgendwann einmal weitermachen will.“
Prüfend sah er sie an. Sie zuckte erneut die Achseln.
„Das weiß man bei Vanni nie so genau. Jetzt muss sie erstmal Fuß fassen.“
„Okay, ich kann warten. Wir haben zu Hause zwei ähnliche Fälle, an denen wir arbeiten. Vielleicht bin ich dann schon weiter und
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