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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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bestätigte. Trotz der wieder voll aufgeflammten Blutsucht war ihr Körper nicht im gleichen Zustand wie vorher. Was Jan eher beunruhigte, empfand Sophie als positives Zeichen. Es war also machbar. Blutsucht war eine Krankheit, keine Mutation oder abartige Laune der Natur. Krankheiten konnten erforscht und bekämpft werden. Und wenn nicht heute, dann vielleicht in Zukunft und mit ihrem Dazutun. In den vielen Jahren, die sie in der Pflege gearbeitet hatte, war sie immer wieder Zeuge kleiner Wunder geworden, wie zum Beispiel die Einführung von Antibiotika. Nun wollte sie daran arbeiten, ein neues Wunder zu bewirken.
    Das Klicken der Badezimmertür riss sie aus ihren Tagträumen. Jan hatte geduscht und trug heute ein gestreiftes Oberhemd statt eines der üblichen bedruckten T-Shirts. Er setzte seine Brille auf, von der Sophie wusste, dass sich nur Fensterglas darin befand. Augenscheinlich wollte er einen älteren und seriösen Eindruck auf Matt machen, der jeden Moment kommen sollte. Jan beteuerte jedoch, er hätte sich für den Spätdienst am heutigen Heiligabend herausgeputzt. Sie verbiss sich ein Lachen und ging in die Küche.
    „Na, Schwesterherz, dich hat es ganz schön erwischt, was?“ Grinsend nahm Jan die Brille ab und polierte sie an Sophies Geschirrtuch.
    „Wenn du meinst. Woran willst du das bemerkt haben?“ Sie spielte die angriffslustige Schwester.
    „Du guckst Löcher in die Luft und lächelst andauert blöde vor dich hin.“
    Sophie entriss ihm das Geschirrtuch und schlug damit nach ihm.
    „Hör auf“, lachte er. „Erzähl mir lieber, was du vorhast.“
    „Was soll ich vorhaben?“ Stirnrunzelnd goss sie das heiße Wasser über ein antikes Teesieb.
    „Du weißt, was ich meine. Glaubst du, er will uns nur Infos geben? Er will sicher auch eine Gegenleistung. Wir sollen Vanessa bequatschen oder ihm neue Patienten anschleppen. “
    „Wieso, er weiß doch gar nicht, dass wir auch… Er denkt doch, Vanni ist erkrankt.“
    Jan holte tief Luft und überlegte seine Antwort.
    „Sophie, ich glaube, da täuschst du dich. Lerne ihn besser kennen, bevor du irgendetwas Dummes tust. Weiß Alex eigentlich von ihm?“
    Auch sie überlegte einen Augenblick und schlug dann vor:
    „Gut, lass uns ihn anhören. Wollen mal sehen, was er überhaupt weiß oder preisgeben möchte. Ach, und wenn ich Alex etwas sagen möchte, tu ich es selber, damit das klar ist.“ Ein entsprechender Blick unterstrich ihre Antwort.
    Es klingelte an der Haustür, aber Jan gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er verstanden hatte und mit ihrem Vorschlag einverstanden war. Erst dann öffnete er die Tür.
    Wenig später saßen sie gemeinsam mit Matt im Wohnzimmer und tranken Tee aus alten, sehr feinen Porzellantassen. Er hatte ihr ein Herz aus Marzipan mitgebracht und sie bedankte sich mit einem langen Kuss, den Jan mit einem Räuspern unterbrach. Er wollte über die Forschung sprechen, immerhin ging es um seine Freundin, seine Familie und den ganzen Clan. Darum fiel er, sobald sie saßen, mit der Tür ins Haus und fragte:
    „Wie viele Fälle sind Ihnen bekannt und was für Symptome zeigen die Patienten?“
    „Mir sind zwei Fälle in meiner Heimat und mindestens ein Fall in Deutschland bekannt.“ Matts Stimme klang höflich und offen.
    „Die Symptome sind Lichtempfindlichkeit der Augen, der Haut, schnelle Hitzeschlaggefährdung, hohe Aggressionsbereitschaft.“
    Jan zog die Augenbrauen hinter seinen Brillengläsern hoch.
    „Inwiefern? Bei Vanni ist mir nie etwas aufgefallen.“
    „Hmm, wie soll ich es sagen. Bei den Fällen in meiner Heimat gab es immer wieder extreme Spannungen bei Langzeitdiagnosen. Ließen wir die Patienten eine Weile nach Hause, in ihr eigenes Umfeld, waren sie wieder ausgeglichen. Wir vermuten, dass es sich um eine Reaktion handelt, die durch ein angstbesetztes Verhalten ausgelöst wird. Wir haben einfach zu wenig Patienten, um ein genaueres Bild zu erstellen. Das ähnliche Verhalten könnte auch ein Zufall sein und mit der Vereinsamung der beiden zu tun haben. Dazu kommen noch allerlei positiv erscheinende Merkmale, aber darauf komme ich noch zurück. Richtig wertvolle Untersuchungsergebnisse würde eine Autopsie bringen, aber dafür muss natürlich erst einmal jemand …“ Er sprach es nicht aus.
    Sie wusste, was Jan durch den Kopf ging. Die Clans sorgten für die wenigen Toten ihrer Gemeinschaft. Seit der Einführung der DNA-Analyse hatten sich weltweit Teams gebildet, die für solche Fälle

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