Zwielicht über Westerland
kann noch mehr für sie tun.“
Schlagartig wurde ihr heiß und sie löste sich aus seinem Arm.
„An was arbeitet ihr? Ihr arbeitet doch nicht an Mukoviszidose? Vanni ist jedenfalls nicht daran erkrankt, das wüsste ich.“
Hatte sie letztendlich doch Recht gehabt mit ihrer Vermutung? War Matt der Schlüssel zu all den Rätseln und Fragen, die sie nicht klären konnte?
Sie waren stehen geblieben und schauten sich schweigend an. Es war klar, an einen romantischen Abschluss des Abends war nun nicht mehr zu denken.
„Sophie, ich kann es dir nicht sagen. Du würdest es nicht fassen können, glaub mir. Es ist eine Krankheit, die viele positive Nebeneffekte hat. Zumindest glauben die meisten Menschen, dass es welche sind. Wenn herauskommt, woran wir arbeiten, haben wir die Pharma- und die Kosmetikindustrie im Nacken. Zusätzlich die Gegner der Genforschung und die Kirche. Unterschätz das nicht. Da zieh ich dich nicht mit rein.“
Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, ihm zu sagen, was sie wusste. Kam es durch die lange Einsamkeit, die vielen schlechten Erfahrungen in ihrem langen Leben oder die Angst, einen Fehler zu begehen? Sie schwieg und wandte sich ab.
Mit zwei großen Schritten holte er sie ein und drehte sie zu sich herum.
„Ich bin… ich meine, ich hätte schon lange… Es tut mir leid, Sophie. Bevor ich nach Hause bin, an dem Sonntag als du bei mir warst, hätte ich es dir schon sagen sollen. Eben, als ich dich mit dem Tom gesehen habe, dachte ich schon, es sei zu spät.“
Sein Gesicht war ganz dicht vor ihr und sein Atem hinterließ warme Dampfwolken, die sich in ihrem Schal fingen.
„Ich hab dich vermisst, obwohl ich nie genau weiß, woran ich bei dir bin“, flüsterte sie und spürte durch ihre Jacke die Wärme seines Oberkörpers.
„Das kann ich verstehen. Glaub mir, ich werde dir alles erklären, dir und deinem Bruder. Ich verspreche es, vertrau mir nur noch ein wenig.“
„Okay, ich warte darauf. Sag mir heute aber eines: War Pellgren Patient bei dir?“ Ihr Ton war ernst.
„Nein, weiß der Teufel, wie er auf mich gekommen ist.“
Er zog langsam seine Handschuhe aus.
Sie glaubte ihm. „Was wolltest du mir schon lange sagen?“, fragte sie bedeutend sanfter.
„Jeden Tag denke ich an unsere erste Begegnung, weißt du noch?“ Sie seufzte. „Du meinst die peinliche Sache mit dem Baum.“
Er lachte leise und schob seine warme Hand unter ihre Haare. Genau an die Stelle unterhalb ihres Ohres, dort wo sie normalerweise ansetzte, wenn sie sich bediente. Aber es war nur ein flüchtiger Gedanke, dann vertraute sie ihrem Instinkt und seinen grünen Augen. Sein Daumen streichelte über ihr Ohrläppchen.
„Weißt du, was ich gedacht habe, als ich dich sah? Ich habe gedacht, da bist du ja. Warum, weiß ich auch nicht. Es war, als wenn ich wusste, dass du kommen würdest. Ich hatte das Gefühl, wir kennen uns oder…“
Er stockte. „Ich kann es nicht anders sagen. Klar, das ist Unfug, aber ich war froh, dich endlich zu sehen. Das hört sich verrückt an, oder?“
„Ja stimmt, aber auch ganz wunderbar.“ Sie flüsterte und stellte sich auf die Zehenspitzen. Für ihren Geschmack hatte er nun genug gesprochen. Was stellte dieser Mann mit ihr an? Er ließ sie warten, ließ sie schlimmer leiden als im stärksten Blutdrang. Er brachte Verwirrung, Hoffnung, Mut und letztendlich das Gefühl, die eine zu sein. Was alles wieder gut machte, denn darauf kam es an.
Die eine zu sein.
Immer noch zart ihr Ohr streichelnd legte er auch die andere Hand an ihr Gesicht. So zart seine Hände waren, so leidenschaftlich warsein Kuss. War es der verrückte Abend, der ungewohnte Alkohol oder war es seine plötzliche Leidenschaft? Unter Sophie drehte sich der Boden. Ihre Beine schienen die Konsistenz zu ändern und sie war nur froh, dass Matt sie fest im Arm hielt. Für einen kurzen Wimpernschlag fragte sie sich, ob sie vorher überhaupt jemals geküsst worden war.
„Das hätte ich schon lange tun sollen“, flüsterte er atemlos und drückte sie fest an sich.
„Genau“, gab sie lächelnd zurück.
Eng aneinander gekuschelt setzten sie ihren Weg durch die jetzt menschenleere Gehstraße fort.
„Mein Onkel hat heute seine Skatbrüder bei sich. Das heißt, zu ihm können wir nicht gehen. Außer, du möchtest Karten spielen. Und bei dir ist dein Bruder.“ Er lachte und zuckte die Schultern. „Wir werden also noch ein bisschen auf der Straße knutschen müssen.“ Plötzlich erschien alles so einfach, so
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