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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Grenzen, die sie beide nie bereit waren, fest abzustecken. Vielleicht hatte sie es auch so gewollt, denn die Einsamkeit ließ sie manchmal erstarren. Ihm, ihrem Freund, ihrem Verbündeten, brauchte sie nichts zu erklären. Sie konnte ihm vertrauen, konnte ihn gehen lassen ohne Sehnsucht, denn es war nur Freundschaft. Es war eine einfache Lösung gewesen, die sich mit der Zeit aber als eine schlechte herausgestellt hatte.
    Mit einem leeren Glas, das sie am Vortag auf dem Balkon hatte stehen lassen, kam er in die Küche und stellte es in die Spüle.
    Diese grauen Schläfen standen ihm wirklich gut, dachte Sophie und lächelte versöhnlich zu ihm herüber.
    Der Durchschnitts-Blutsüchtige wurde nach jeder Dekade umgesiedelt und bekam eine neue Identität. Erst nach neun Dekaden wurde es ihnen erlaubt, in ihre Heimatstadt zurück zu kehren. Als Clanführer war dies nicht möglich. Er musste sich der Verantwortung und dem damit verbundenem Risiko stellen. Er musste versuchen, so lange wie möglich integriert zu bleiben, dazu gehörte auch das Altern.
    Er hatte bemerkt, dass sie ihn musterte, ließ es sich aber nicht anmerken. Seufzend setzte er sich an den Tisch und griff nach seinem Orangensaft.
    „Du hast Recht, es ist gefärbt“, gab er freiwillig über seinen Tassenrand hinweg zu und strich sich langsam über die Haare.
    Sophie prustete lauthals über den Tisch hinweg und sprang auf, um ihren alten Freund zu umarmen.
    Viele Freundschaften pflegte man als fast Unsterblicher nicht. Die Normalos, wie ihr Bruder Jan sie nannte, hatten einen anderen Lebensverlauf, andere Freizeitbeschäftigungen, konnten anderes Wetter vertragen und waren einfach zu lecker, was natürlich auch von Jan stammte.
    „Hast du was von Jan gehört?“, fragte Sophie und biss in ihr Marmeladenbrot.
    „Nein, aber das ist bei ihm ein gutes Zeichen, wie du weißt“, gab Alex beruhigend zurück und lächelte milde.
    Ja, sie wusste sofort, was er meinte. Schon oft hatte er Jan aus schwierigen Situationen helfen müssen. Das letzte Mal hatte dieser im Umkleideraum einer Sporthalle gleich drei Mädchen einer Handballmannschaft gebissen und war dabei von der Trainerin beobachtet worden. Diese hatte sich daraufhin laut schreiend in den Duschräumen eingeschlossen. Erst, als der Kriminalbeamte Alexander Westphal eintraf, öffnete sie die Tür und ließ sich von ihm beißen, woraufhin sie die ganze Angelegenheit vergaß.
    Jan hatte anschließend sechs Monate Strafarbeit in der Bibliothek der Clanführer leisten müssen, was ihm vorerst eine Lehre war. Dort durften die Buchdiener, zu denen er zählte, während der Arbeitszeit nicht sprechen. Das war eine harte Strafe für einen mitteilungsbedürftigen jungen Mann, und dabei hatte er noch Glück gehabt. Andere Clanführer wären nicht selbst erschienen und hätten sicherlich auch eine andere Strafe gewählt. Nein, darin waren sich alle Clanmitglieder einig: Alexander war ein kluger und gerechter Clanführer. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst und er war, imGegensatz zu Sophie, gerne der, der er war. Die meisten Mitglieder des Clans waren es gerne. Ein XXL-Leben konnte zusammen mit etwas Verstand und Geschick durchaus zu einem Vermögen oder einigem Einfluss führen. Konnte, nicht musste. Letztendlich waren sie auch Menschen.
    „Lass uns eine Inselrundfahrt machen“, holte er Sophie aus ihren Gedanken.
    Wenige Minuten später fuhren sie auf der Landstraße Richtung List. „Dein wievieltes Auto ist das eigentlich?“, fragte Sophie und strich über das Armaturenbrett.
    „Frag doch nicht immer so komische Sachen“, antwortete Alex und warf ihr einen irritierten Seitenblick zu. Er hatte seine Autos nie gezählt, genauso wenig wie seine Pferde davor.
    Doch dann schüttelte er lachend den Kopf. „Ich weiß nur, dass es mein erstes Hybridauto ist. Und ich werde dir nicht verraten, wie alt ich bin. Auch wenn du noch so hintenrum fragst.“
    Sophie lächelte und seufzte übertrieben. Eigentlich war es mehr ein vertrautes Spiel zwischen ihnen als ein ernsthafter Versuch gewesen. Er zeigte mit dem Finger auf ein neues Hotel, das mitten in den Dünen errichtet worden war.
    „Ich dachte, man darf die Dünen nicht betreten. Ich hab vor Jahren mal Ärger bekommen, weil ich eine Dame dorthin gelockt habe.“
    Und mit einem Seitenblick auf Sophie fügte er schnell hinzu: „Natürlich nur, um sie zu beißen.“
    „Aber natürlich.“
    Sophie nickte mit spöttisch verzogenem Mund und fügte dann ernsthaft hinzu:

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