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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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zur Tür.
    „Warte, ich habe dir noch etwas vom Rat zu sagen.“
    In der Bewegung inne haltend, starrte sie ihn an. Was konnte der Rat, der Zusammenschluss der Clanführer, von ihr wollen?
    Alex schien ihre Verwirrung zu gefallen, denn er sprach nicht sofort weiter, sondern packte sich umständlich ein Kissen hinter den Rücken.
    „Heute ist Inkassotag, meine Liebe. Du hast der Gemeinschaft einiges zu verdanken und ehrlich gesagt, mir auch.“
    Jan nannte diese Tonlage Häuptlingsstimme, fiel ihr ein.
    „Das weiß ich auch selber. Und was erwartet die Gemeinschaft von mir? Das ich mit dir durchbrenne? Das soll ja wohl ein Witz sein.“
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Natürlich nicht. Das wäre mir auch nicht gut genug.“
    Sie lächelte bitter und dachte: “Doch, mein Freund, das wäre es.“
    Er wusste genau, was sie dachte, ging aber darüber hinweg.
    „Du bist nach Westerland gekommen, um Sachen in Erfahrung zu bringen, an denen du hättest lieber nicht rütteln sollen. Du hastNachforschungen angestellt, deine Freunde in Gefahr gebracht, deinen Bruder von hier vertrieben. Du bist…“
    „Alexander Westphal, du weißt genau, dass das nicht so ist. Versuch nicht, mir irgendwie ein schlechtes Gewissen einzureden. Sag, was du mir zu sagen hast. Ich hab noch etwas vor.“
    Es kam ihr vor, als wenn er seine Strategie ändern wollte, als er mit weicherer Stimme und Blick aus dem Fenster fortfuhr.
    „Als ich dich überführte zu den unseren, da hab ich es genossen. Es war ein feierlicher, einmaliger Moment. Er veränderte dein Leben, deinen Glauben, deine Zukunft, einfach alles. Und ich war der, der all dies in den Händen trug. Ich nahm dein Blut und gab dir meines. Es war wie ein Pakt für die Ewigkeit.“
    Sie war nie Patin gewesen, wusste aber natürlich, was sie in so einem Falle zu tun hatte. Der Pate musste sein Blut mit dem des zu Rettenden vermischen. Kleine Mengen reichten hierbei durchaus. Meist fuhr sich der Pate mit der Zunge über die spitzen Zähne, dann führte er die blutende Zunge an die Bissmale, bis sich sein Blut mit dem des anderen vermischte. Ein neues Clanmitglied wurde geboren. Der Tag der Zeremonie galt fortan als Dekadentag. Es störte sie ungemein, wie Alex den Vorgang beschrieb. Irgendwie hörte es sich besitzergreifend und anzüglich an.
    „Ich bin kein Eigentum, falls du mir das sagen willst.“
    „Nicht nur ein Pakt für die Ewigkeit, sondern auch aus ihr. Hast du je begriffen, welches Gut du in dir trägst?“ Als er verstand, dass sie schweigen würde, fuhr er fort:
    „Incubi, Succubi, Nachtmahre, Vampire. Sie hatten viele Namen für uns. Sie haben uns nie verstanden und die Chancen, die sie damit vertan, bis heute nicht begriffen. Doch sie konnten nie verhindern, dass wir unter ihnen sind. Und das macht uns gefährlich. Sophie, jeder Pate gibt mit seinem Blut etwas sehr Altes und Besonderes weiter. Seit Jahrtausenden ist es so. In dir fließt ein Teil meines Blutes, das ich von meinem Paten bekam und er von seinem und so weiter. Und so wird es immer sein, das was du als Krankheitansiehst. Du verdankst mir und dem Clan deine und deines Bruders Existenz. Und wenn du willst, dass wir Vanessa und die anderen schützen, musst du deinen Teil dazu beitragen. Du kannst nicht immer nur nehmen, so wie du es bei mir tust. Du musst auch geben.“ Alex hatte sich erhoben und lehnte sich mit einer Hand an die Wandfläche neben ihr. Sie starrte auf das leere Bett. Hatte Jan ihr nicht tags zuvor ähnliches vorgeworfen? War sie wirklich so? Warum tat Alex ihr das an? Er wusste genau, dass sie nichts riskieren würde. Niemals würde sie ihre Freunde absichtlich in Gefahr bringen. Sie wollte nicht hören, dass sein Blut in ihr war und das Blut irgendwelcher alten Geister, die von Hunderten von Jahren in verlassenen Häusern ein dreckiges und trauriges Dasein geführt hatten. Sie sollten nicht ihre Familie sein, nicht Teil ihrer selbst. Sie hatte sie nie darum gebeten. Ihre richtige Familie war tot und Vergangenheit. Sollte es eine neue Familie geben, würde sie diese selber aussuchen.
    „Was verlangt ihr von mir?“ Ihre Stimme klang fremd in ihren eigenen Ohren. Sie würde sich nicht zwingen lassen, mit ihm zu gehen. Auch wenn es so gut wie unmöglich war, sich gegen den Clan zu richten.
    „Auf deinem Konto sind zehntausend Euro eingegangen. Offiziell für den Verkauf eines antiken Möbelstückes. Du kannst das Geld nehmen und mit mir verschwinden. Oder du wählst den anderen

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