Zwielicht über Westerland
Weg.“
Fast hätte sie gesagt, dass sie den anderen Weg wollte, bevor er ihn ihr vorgeschlagen hatte.
„Wehe, du lässt zu, das Vanni und unseren Brüdern etwas passiert. Ich mach dir das Leben zur Hölle!“ Die Stimme war aus ihrem tiefsten Innern gekommen und sie wusste in dem Moment, als sie es sagte, dass es ihr bitterer Ernst war.
„Das tust du seit neun Dekaden, meine Schöne.“ Ihre Blicke trafen sich, doch hatte sie die gleiche Härte wie in ihrem Blick vermutet, so täuschte sie sich. Seine wirklich schönen dunklen Augen warenweder zornig, noch hart. Es lag eine gewisse Traurigkeit darin. Vielleicht war es auch eine immerwährende Melancholie oder Sehnsucht, die niemals gestillt wurde. Auch nach all den Jahren wusste sie nie genau, woran sie bei ihm war.
„Der Clan erwartet, dass du an ihm dran bleibst. Er gefällt dir doch, der Doktor aus Amerika, oder? Notfalls geh mit ihm rüber. Das Geld ist für die Überfahrt und die erste Zeit. Mach dich zu seiner Vertrauten, seiner Geliebten. Du wirst uns mit Informationen versorgen und der Clan verspricht dir, deinen Doktor in Ruhe zu lassen. Wir werden gut auf die Würzburger aufpassen. Nur um dich kann ich mich nicht mehr kümmern. Du musst allein klar kommen.“ Sollte es so leicht sein, ihrem Leben mit all den Zwängen zu entweichen? Der Clan forderte Dinge, die sie sowieso getan hätte. Das mit dem Ausspionieren würde sie selbst entscheiden. Was sie weitergeben wollte, würde sie tun.
Mit einem kurzen Kopfnicken stimmte sie zu. Nur noch aus diesem Zimmer verschwinden und frei atmen, dachte sie.
„Tschüss Alex. Machs gut.“ Mehr wusste sie nicht zu sagen.
Sie hatte bereits die Tür erreicht, da drehte er sie um, wie sie ihn zuvor am Fenster.
„Ich werde dich vermissen. Denke nicht, dass mir das hier leicht gefallen ist“, flüsterte er mit seiner rauen zärtlichen Stimme, die Sophie früher einmal ziemlich schwach gemacht hatte. „Letztendlich muss auch ich tun, was der Rat verlangt.“
„Ich weiß, du bist nur der Schuldeneintreiber“, gab sie zurück und noch bevor er sie küssen konnte, drehte sie sich um und ging.
15. Kapitel
Über den Ozean
Sophie hoffte inständig, Matt könne vor dem Hotel bereits auf sie warten. Sie wurde das Gefühl nicht los, Alex würde ihr folgen, aber wahrscheinlich war es nur der Nachklang seiner Worte. Der dicke Teppichboden der Treppe schien ihre Schritte mitsamt den Schuhen zu verschlucken. Schwerfüßig kam sie im Rezeptionsbereich an und erblickte durch die Glastür das Auto des Professors. Dankbar drückte sie die Tür auf und atmete die frische Seeluft ein. Der Wind stürzte aus dem wolkenverhangenen Himmel auf sie zu, riss ihre Hochsteckfrisur auseinander und zerrte an ihren Haaren. Es war wunderbar. Sie schien mit jedem Atemzug Lebenskraft und Freiheit einzusaugen. Endlich hatte sie sich aus Alex´ Fängen befreit, hatte ihm eine deutliche Absage erteilt und auf die Freundschaft gepfiffen. Das war lange fällig gewesen.
Der Rat der Clans hatte eine Verpflichtung eingefordert, aber ihr gleichzeitig auch die Freiheit gegeben, mit Matt zusammen zu sein. Natürlich war neben ihrer Liebe zu ihm auch ihr Interesse an seinen Forschungen ein wichtiger Teil ihrer Zukunft. Alex konnte sagen, was er wollte, für sie blieb die Blutsucht eine Krankheit. Und vielleicht würde Matt sie bekämpfen können. Sie jedenfalls würde ihn vollkommen unterstützen dabei. Vanni hatte sie verstanden und gezeigt, dass Matt auf dem richtigen Weg war. Mit ihrem Bruder hatte sie sich ausgesprochen und ihre Freunde vermissten sie.
Matt saß im Auto und winkte ihr zu. Was wollte sie mehr?
Schnell stieg sie in den Wagen und strich sich die Haare aus dem Gesicht, um Matt zu küssen. Er strahlte sie gut gelaunt an.
„Hallo, ich habe mit deinem Bruder gesprochen. Schön, dass wieder alles okay ist bei euch. Er interessiert sich für meine Forschung. Wirwollen in Kontakt bleiben. Vielleicht können wir in Zukunft irgendwie zusammenarbeiten. Mal sehen, was sich ergibt.“
Er schaltete die Scheinwerfer an und startete den Motor. Sophie runzelte die Stirn. Was führte Jan nun wieder im Schilde?
Vorsichtig lenkte Matt den Wagen aus der Parklücke.
„Wollen wir noch irgendwo etwas…“ Jemand hatte sein Interesse geweckt und er stockte. „Sag mal, den Typen da kenne ich.“ Er wies mit dem Kopf auf einen Mann, der sich vor dem Hotel suchend umsah. In der Hand hielt er einen bunten Schal. Sophie erschrak, das wunderbare
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