Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
können«, fuhr er fort. »Versuch, etwas zu schlafen. Du musst dich ausruhen, damit du gesund wirst.«
Schlafen. Unmöglich.
»Ich brauche nicht lange.«
Wieso siehst du mich dann nicht richtig an?
Aber vor all diesen Leuten konnte sie ihn das nicht fragen. Nicht, wenn sein Schmerz noch so frisch war. Und solange sie an der Sauerstoffmaske hing, konnte sie nicht bei ihm bleiben. Sie wusste auch nicht, ob sie überhaupt das Recht dazu hatte. Also ließ sie ihn gehen. Sie hoffte nur, dass er keine Heldentat beging. Oder eine dumme Aktion plante. Zumindest nicht ohne sie.
t
Vor dem Raum bat Adam einen Kerl, der einen silbernen Steg durch den Knorpel in seiner Nasescheidewand gebohrt hatte, um ein schwarzes T-Shirt. Als er das Hemd gerade überzog, kam Zoe die Treppe hinunter und öffnete den Mund, als wollte sie noch mehr von Abigails Weisheiten von sich geben.
»Lass mich in Ruhe, Zoe. Und sag Abigail, dass sie sich aus meinen Sachen heraushalten soll.«
Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern eilte aus dem rückwärtigen Ausgang des Gebäudes hinaus und zu Fuß die Gasse hinunter, Essen und Schlaf waren ihm egal. Er musste dort weg, weg von Talias verdammten Feenaugen. Ihrem verlorenen, leidenden Blick. Sie sah zu viel.
Patty war tot. Custo war tot.
Er durfte, er konnte es nicht ertragen, wenn auch noch Talia durch seine Schuld starb. Um nichts in der Welt würde er ihr erlauben, sich dem Dämon bis auf »Schreiweite« zu nähern. Nicht jetzt. Nie. Nicht einmal, wenn sie die Welt retten konnte. Er würde das nicht zulassen. Nicht, solange er atmete.
Er hämmerte eine Nummer in sein Mobiltelefon, die er zwar bereits lange kannte, aber noch nie benutzt hatte. Nach dem ersten Klingeln hob Jack ab.
Jackson Flatt handelte mit einigen äußerst illegalen exotischen Waffen und Ähnlichem. Er verfuhr nach dem Prinzip ›Wer zuerst kommt, mahlt zuerst‹, und es war ihm egal, dass durch seine Waffen Unschuldige ums Leben kamen. Im Laufe der Jahre hatte Adam ein paar ausgefallene Sachen gebraucht, aber nie, unter keinen Umständen, hätte er mit Jack Geschäfte gemacht.
Doch die Zeiten hatten sich geändert.
»Hier spricht Adam Thorne.«
»Adam Thorne.« Jack zog die Vokale genüsslich in die Länge. »Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs? Bist du auf den Hund gekommen?«
Adam unterdrückte den Impuls, das Gespräch zu beenden, und schluckte eine böse Bemerkung hinunter. »Ich brauche etwas. Kannst du es mir besorgen?«
»Wieso fragst du nicht deinen Laufburschen Spencer?«
»Spencer ist tot, und ich arbeite nicht länger mit dem IBÜ zusammen«, erwiderte Adam.
»Hm.« Jack schwieg und verarbeitete diese neue Information. »Willkommen auf der dunklen Seite. Was brauchst du?«
»L-Pillen.« Allein, das Wort auszusprechen, trieb Adam den Schweiß in den Nacken.
»Hat das etwas damit zu tun, dass in den Nachrichten über dich berichtet wird und die Polizei nach dir sucht?«
In den Nachrichten. Verdammt. Wenn man in den Nachrichten über ihn berichtet hatte, dann auch über Talia. Selbst wenn er das hier hinkriegte, war ihr Leben total verkorkst.
»Indirekt«, antwortete Adam.
»Kannst du bezahlen, bei dem ganzen Mist, den du an den Hacken hast?«
»Immer.«
»Ja, dann kann ich sie dir wahrscheinlich besorgen. Ich kenne einen Kerl. Falsch, ich kenne die Witwe von einem Kerl, der vermutlich hat, wonach du suchst. Kapiert?«
Jack war nicht gerade subtil. L-Pillen oder letale Pillen waren für einen schnellen und wirksamen Selbstmord gedacht. Die Aufnahme von Kaliumzyanid führte innerhalb von wenigen Minuten zum Gehirntod und kurz darauf zum Herzstillstand.
»Wie schnell kannst du sie mir besorgen?«
»Sagen wir in einer Stunde. Vielleicht in zwei. Wir treffen uns an der Grand Central Station. Kauf dir eine Zeitung, um dir die Zeit zu vertreiben. Ich finde dich.« Die Leitung war tot.
Adam wusste nicht, wie viel Jack für die Pillen verlangte, aber das war ihm egal. Tausend. Hunderttausend. Eine Million. Das spielte wirklich keine Rolle.
Adam kaufte eine Tageszeitung, las sie jedoch nicht, sondern steckte sie ein. Einem ahnungslosen Studenten am Bahnhof klaute er den Laptop und arbeitete. In ein paar Stunden hätte er einen Plan entworfen, wie er Talia in Sicherheit bringen konnte. In einer Datei auf seinem USB-Stick hielt er für sie fest, wie sie das Land verlassen sollte.
Als Jack sich drei Stunden später neben ihn auf die Bank fallen ließ, wimmelte es im zweiten Stock des
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