Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
von funkelnden Sternen übersät, als hätte er endlich bemerkt, was auf der Erde vor sich ging.
Schneller, schneller, drängte Talia.
Die Küste fiel hinter ihnen zurück. Mit den kleiner werdenden Lichtern schwand zugleich ihre Hoffnung auf Sicherheit. Sie fuhren in ein Meer wogender Dunkelheit, als bewegten sie sich auf das Ende der Welt zu. Sie suchte keinen Ort, an dem sie vor den Monstern oder vor sich selbst Zuflucht fand. Das war vorbei. Wegzulaufen bot keine Alternative, nicht wenn alles, worauf es ankam – ob gut oder schlecht –, vor ihr lag.
Und plötzlich tauchte über den Fluten die Hölle auf.
Die Styx glich einem riesigen umgedrehten Amboss, ein Kriegsschiff, auf dessen Deck die Art von Licht brannte, von dem sich Motten angezogen fühlen. Das gepanzerte Schiff ragte unter dem Sternenhimmel auf, ein gerüstetes Industrie- und Kriegsprodukt, das sich gegen die Natur stemmte.
Bei seinem Anblick setzte beinahe Talias Herz aus. Kein Zweifel, die Styx hatte die Charon bereits lange nahen sehen. Der Dämon, der Todessammler, wusste, dass jemand kam, dass wieder jemand bereit war, sein Menschsein gegen die Unsterblichkeit einzutauschen.
Der alte Mann lenkte das Boot neben das riesige Schiff, rieb quietschend daran entlang und wartete neben einer schmalen Leiter. Er drehte sich um. Im Licht des Schiffes wirkte seine blasse Haut gelblich und krank.
»Die Styx. « Mit dem Kopf deutete er auf die graue Stahlwand.
Als der Wind sich legte und die Charon schaukelte, erreichte Talias Übelkeit ihren Höhepunkt. Sie biss die Zähne zusammen, damit sie sich nicht übergab, und griff nach der Wand des Bootes. Blanke Angst machte jedes Denken unmöglich.
»Wollen Sie, dass ich Sie zurückbringe?« Der alte Mann wirkte ziemlich desinteressiert.
Talia schüttelte nur leicht mit dem Kopf, damit ihr nicht noch übler wurde.
Sie konnte es schaffen. Erst gestern hatten ihre Schatten sie und Adam geschützt, als sie vergeblich versucht hatten, Custos Leben zu retten. Außerdem war sie in den Schatten in der Lage, Gegenstände mit ihrem Verstand zu manipulieren. Mit diesen Fähigkeiten würde sie es bis zu Adam schaffen und sie beide in Sicherheit bringen. Mehr wollte sie nicht. Die Vernichtung des Dämons, der sich selbst als Todessammler bezeichnete, konnte warten.
Jetzt ging es um Adam.
Ihre Angst wich Klarheit, die wie elektrischer Strom direkt unter ihrer Haut entlangfloss.
Talia stand auf und scharte die Schatten der Nacht um sich. Die kühlen dunklen Schleier hingen in wallenden Bahnen von ihren Schultern herab. Zum Einsatz bereit. Sie zog sie noch enger um sich, um sich bei ihrem Aufstieg zu tarnen, und griff nach der Leiter.
Die Sprossen waren eisig und nass.
Ein Geist – eine Frau mit einem schmalen engelhaften Gesicht – beugte sich über die Leiter, um nach dem neuen Bittsteller für den Dämon Ausschau zu halten.
Mit klopfendem Herzen wartete Talia. Unter ihr legte die Charon ab und ließ ihr nur eine Wahl. Hinauf.
»Muss gekniffen haben«, rief der Geist jemand anderem zu und verschwand aus Talias Blickfeld.
Talia kletterte weiter hinauf. Als sie beinahe ganz oben war, spähte sie vorsichtig auf das Deck. Auf der einen Seite befand sich ein Hubschrauberlandeplatz und darauf ein Fortbewegungsmittel, mit dem man deutlich schneller auf das Schiff und wieder von dort wegkam. Praktisch. Daneben hatten sich ein paar Geister versammelt. Zehn oder zwölf, deren Aufmerksamkeit auf zwei miteinander kämpfende Geister gerichtet war. Die krachenden Schläge, die sie einander verpassten, hätten jeden normalen Menschen umgebracht.
Talia nutzte den Umstand, dass sie abgelenkt waren, und kroch an Deck.
Jenseits einer grauen Ebene befand sich eine schmale rechteckige Tür mit runden Ecken, die in einen wuchtigen Metallblock führte.
Sie zwang sich, ruhiger zu atmen, damit ihr Herz weniger raste. Wenn Panik sie ergriff, war damit niemandem geholfen. Sie würde mit den Innenräumen anfangen und sich langsam durch das ganze Schiff arbeiten. Systematisch, aber äußerst vorsichtig würde sie jede Ecke überprüfen.
In Schatten gehüllt, schlich Talia am Rand des Decks entlang auf die Tür zu. Dabei hielt sie sich an die natürlichen Schatten, die die Takelage auf das Deck warf.
Sie sah zur Charon hinüber , die jetzt nur noch als Lichtpunkt in der Ferne zu erkennen war.
An Deck war ein sattes Klicken zu hören, Talia fuhr herum.
Die Tür stand offen, und eine Gestalt trat heraus.
Als sie die dichte
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