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Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
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unerwartet, dass Talia keine Zeit hatte, ihr auszuweichen oder sich auf die Gefühle vorzubereiten, die sie in ihr auslösten. Wie ein Stromstoß spürte sie durch den Kontakt sein Interesse. Seine enorme Kraft konzentrierte sich ganz auf sie. Bereits in Jacobs Zelle hatte sie zwischen seinem quälenden Geständnis eine seltsame intime Neugierde gespürt. Aber jetzt, hier allein mit ihm unter freiem Himmel, wirkte das Gefühl fordernder und – was sie vor allem verstörte – so, als würde er sie begehren.
    Talia wich zurück. Wenn er so nah bei ihr stand, konnte sie ihre Gefühle nicht beherrschen. Nicht, wenn sich seine Gefühle mit ihren eigenen mischten. Musste er sie so bedrängen, so viele Fragen stellen? Konnte er ihr nicht etwas Raum zum Atmen lassen?
    »Können Sie das vorsätzlich herbeiführen?« Er ließ die Hand sinken.
    Seine Fragen verlangten nach Antworten. Er hatte ihr einen Einblick in sein Innenleben gewährt. Jetzt war sie an der Reihe. Tante Maggs wäre schockiert darüber, dass sie kurz davor stand, ihr Versprechen aus Kindertagen zu brechen, nie jemandem von ihrer Fähigkeit zu erzählen. Tut mir leid, Maggs – schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden. Sie war entdeckt worden, und jetzt musste sie lernen, wie sie sich retten konnte.
    »Ich … « Verdammt. Sie hatte noch nie zuvor darüber gesprochen. Sie erinnerte sich daran, was Adam durchgemacht hatte, sammelte innerlich Mut und versuchte es noch einmal. »Für mich haben die Schatten eine bestimmte Konsistenz … Sie bestehen aus einem festen Material. Ich kann sie fühlen. Auch jetzt.«
    Sie waren überall um sie herum – in den dunklen Flecken unter den Bäumen, in dem Licht, das durch die Äste fiel, den Umrissen ihrer beider Körper auf dem Boden. Wenn sie wollte, konnte sie nach der Dunkelheit greifen, unter ihren schützenden Schirm kriechen und das Leben von einem sicheren Ort aus betrachten.
    »Wie fühlt es sich an?«, fragte Adam sanfter.
    Talia seufzte. »Sicher. Und kühl.« Und einsam.
    »Können wir es gemeinsam probieren? Jedes Mal, wenn ich es erlebt habe, waren Sie in einer Notlage. Ich würde mich gern … einfach ein bisschen umsehen.« Er streckte ihr eine Hand entgegen. Sein Gesichtsausdruck war neutral, beinahe geschäftsmäßig, sie traute ihm nicht.
    Talia blickte auf seine ausgestreckte Hand, dann in sein Gesicht. Sie wollte ihn nicht berühren, wollte nicht wieder seine Gefühle in sich spüren.
    »Kommen Sie.« Er lockte mit dem Finger. »Wir haben es schon einmal getan. Lassen wir uns Zeit und machen es uns nett. Ganz ruhig.«
    Sie hatte schon so lange Angst. Es war längst an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Talia machte sich auf das Schlimmste gefasst und griff seine Hand.
    Gefühle schwappten über sie hinweg. Erleichterung. Beeindruckende Kontrolle. Und Neugierde, in die sich, ja, eindeutig erotisches Begehren mischte; erregende Strudel strömten heiß durch ihre Adern und sammelten sich in ihrem Bauch. Talia schluckte heftig, wehrte sich gegen das Gefühl und versuchte nachzudenken. Ganz sicher fühlte er sich nicht von ihr erregt, so viel war klar. Vielleicht machte ihn die Vorfreude auf ihren Trick mit dem Schatten an. Oder der Kampf mit Spencer. Alles, aber nicht sie.
    Wenn sie dieses Gefühl beiseiteschob, bemerkte sie etwas Dunkleres in ihm, etwas Unangenehmes, sogar Giftiges, das sie nicht benennen konnte und auch nicht wollte.
    »Sobald Sie bereit sind«, sagte Adam.
    Das war krank. Sie war sicher, dass sie es bereuen würde. Die Angst raubte ihr den Atem, ihre Haut spannte, aber sie zog sanft an den Schatten.
    Sie hörte, wie Adam die Luft anhielt, als sie die Schatten um ihre Körper schlang und sich ein dunkler Film über den sonnigen Tag legte. Mehrere Schichten von Schleiern schmiegten sich sinnlich um ihre Körper. Die Bäume, die Weide dahinter, das riesige Gebäude von Segue – alles war da, wirkte aber zerbrechlich. Als wenn ein Windstoß reichte, um alles aufzulösen.
    Adams Hand lag warm in ihrer. Er erfüllte sie mit seinem Staunen, und das war das Schönste daran. Denn es brachte ihr selbst aufs Neue die Schönheit der Schatten zu Bewusstsein.
    »Noch etwas mehr«, bat er.
    Talia griff erneut nach den Schatten, und der Tag versank in der Dämmerung. Die strahlend gelbe Sonne wurde in ein dunkles Violett getaucht. Auf einmal bestand die Welt aus unzähligen Violett-, Blau- und Schwarzstufen. Die Geräusche wurden in die Länge gezogen, das Zwitschern der Vögel und das

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