Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
wusste.
Ihr Atmen entwickelte sich zu einem unregelmäßigen Keuchen, und ihr wurde leicht schwindelig. Sie legte eine Hand auf ihre Brust, aber es half weder dabei, Luft in ihre Lungen zu pumpen, noch den Schmerz zu lindern.
Er ergriff ihre Hand, zog sie hinein und drückte den zweiten von zwei nicht weiter gekennzeichneten Knöpfen. Die Dringlichkeit seiner Berührung trieb sie an. Bloß weg hier. Ganz schnell.
Bei der plötzlichen Abwärtsbewegung wurde Talia übel. Sie befanden sich in einem Aufzug. Ein Geschoss, das nach unten raste.
»Bist du okay?« Adam fasste ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich herum. Sein Ausdruck war beherrscht, aber seine Gefühle schienen eine Mischung aus Sorge und Schock zu sein. Die Gefühle, die sie bei ihm wahrnahm, trieben sie weiter; wenn sie irgendwie konnte, würde sie ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten. Mit seiner freien Hand hob er eines ihrer Lider, um ihre Pupillen zu sehen, dann bewegte er einen erhobenen Finger in einem Bogen vor ihren Augen hin und her, um ihre Reaktionsfähigkeit zu testen.
»Ja.« Ihre Antwort war ein raues Schnarren, mehrere Oktaven tiefer als ihre übliche Tonlage. Und es schmerzte.
»Verdammt.« Adams Gesicht lief rot an, nur um seinen angespannten Mund herum bildeten sich weiße Flecken. »Du siehst furchtbar aus. Das muss eine Art chemischer Waffe aus einer Spraydose gewesen sein. Giftgas vielleicht.«
Gemischt mit etwas Schlimmerem. Etwas Üblem aus dem Jenseits. Aber das sagte Talia nicht.
» … okay.« Ich bin okay , hatte sie eigentlich sagen wollen, aber das erste Wort hatten ihre unkooperativen Stimmbänder verschluckt. Das war eine Lüge, was auch Adam klar sein musste. Was sie meinte, war, dass sie weitergehen würde, bis sie nicht mehr konnte. Er musste für medizinische Hilfe sorgen. Am besten sofort.
Der Aufzug hielt abrupt an, was eine Herausforderung für ihre weichen Knie darstellte. Adam schob Talia hinter sich, stellte sich schützend vor sie, zog seine Waffe und drückte einen Knopf. Die Tür glitt auf.
Eine unbestimmten Lichtquelle erhellte schwach die Dunkelheit dahinter. Nachdem Talia ein paar Mal vorsichtig eingeatmet hatte, nahm sie einen nassen widerlichen Gestank wahr. Sie vergrub ihr Gesicht an Adams Schulter. Es konnte sich nur um einen einzigen Ort handeln. Den Abwasserkanal. Eine räudige Ratte sauste an der Aufzugtür vorbei.
»Wir müssen gehen. Wir müssen ein sicheres Versteck finden.« Adam klang, als würde er zu sich selbst sprechen. Er trat hinaus in den Tunnel und blickte in beide Richtungen, als wäre er unsicher, in welche Richtung des stinkenden Ganges er gehen sollte.
Es war seltsam, Adam ratlos zu sehen. Adam, der für alles eine Lösung hatte, Adam und seine unzähligen Sicherheitsvorkehrungen. Nicht dass sie ihm das vorwarf – niemand konnte auf alles vorbereitet sein. Er hatte bereits so viel getan, indem er den ganzen Geisterkrieg auf seine Schultern geladen hatte.
»Ach, zum Teufel«, sagte er und zog sie nach links. »Das Loft hätte sicher sein müssen. Es steht in keiner Verbindung zu Segue. Trotzdem haben sie es gefunden. Wie haben die das gemacht?«
Talia wusste, dass er sie nicht wirklich fragte. Ihre Aufgabe war es weiterzuatmen, und sie verwandte ihre gesamte Konzentration darauf. Nur so konnte sie ihm helfen.
»Wenn sie uns finden, Talia, dann lauf weg und versteck dich. Verstanden? Du rennst weg und versteckst dich. Du machst diese Sache mit den Schatten und bringst dich in Sicherheit. Ich versuche, sie so lange wie möglich aufzuhalten.«
Er stützte sie, indem er seinen linken Arm unter ihre Schultern schob. Der unangenehm lange, dunkle Tunnel war glatt von jener Art Feuchtigkeit, die niemals trocknete und in den Wänden hing. Der Müll zu ihren Füßen, durchweichtes Zeitungspapier und nicht zu identifizierende Abfälle, hatte sich damit vollgesogen. Nur ein leuchtend weißer Plastikbecher aus einem Imbiss schien dem Schlamm standzuhalten.
Adam blieb an einer rostigen Metallleiter stehen, die in die Betonmauer eingelassen war, und starrte auf einen Gullydeckel darüber.
»Was ist … «, krächzte Talia. Sie meinte Was ist mit Custo? , der sie in dem Loft hatte treffen sollen. War er wie Spencer zum Verräter geworden und hatte den Angriff gesteuert, oder lief er ahnungslos den Angreifern in die Arme?
Adam drehte sich abrupt zu ihr um. »Still. Nicht reden. Du musst deine Stimme schonen. Sie muss heilen. Du bist erst sicher, wenn sie geheilt ist. Niemand ist
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