Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
weiß. Obschon sie glatt war, wirkte die Frau älter, als er zunächst angenommen hatte. Mitte zwanzig vielleicht.
»Bist du die Fee?« Das Mädchen hob eine mehrfach gepiercte Braue.
Adam erschrak. Fee? Woher zum Teufel wusste sie das … ?
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Talia bestätigend nickte.
»Ansonsten würdest du nicht in diesem verdammten Loch herumschleichen. Hier entlang.« Mit dem Kopf deutete das Mädchen in eine Richtung, drehte sich um und ging den Tunnel hinunter.
Talia fasste seinen Ellenbogen und zog ihn mit sich. Als sie das Mädchen eingeholt hatten, beugte Adam sich nach vorn und fragte mit leiser Stimme: »Wer bist du? Wohin gehen wir?«
Das Gothic-Mädchen blickte über ihre Schulter zurück. »Ich bin Zoe und bringe euch zu Abigail.«
Alles klar.
Adam versuchte es noch einmal. »Woher wusstest du, dass wir hier unten sind? Und wer ist Abigail?«
Das Mädchen ging weiter und lächelte ihn dabei über ihre Schulter hinweg schief an. »Abigail ist meine Schwester. Ich wusste, ihr seid hier unten, weil sie mir gesagt hat, dass ich euch hier finde.«
Adam hätte sie am liebsten geschüttelt. Ihre Antworten erzeugten nur noch mehr Fragen, und das bereitete ihr ganz offensichtlich Vergnügen. »Woher wusste Abigail, wo man uns findet?«
»Sie hat euch gesehen«, erwiderte Zoe gedehnt und sah sich nicht einmal um.
Adam kam zu einem einzigen Schluss: Man hatte sie entdeckt. Wo? »Wie?«
Er bemerkte erst, dass er die letzte Frage laut ausgesprochen hatte, als das Mädchen antwortete: »Das weiß ich nicht. Das müsst ihr sie fragen.«
Sie trabten den Kanal entlang. Ihr Atem und ihre Schritte hallten von den Wänden wider und erzeugten gespenstische Geräusche und Bewegungen. Adam spürte, wie Talia sich stärker auf ihn stützte.
»Wie weit ist es noch? Sie braucht medizinische Hilfe.«
»Das hat Abigail auch gesehen. Es gibt eine Ärztin für euch.«
Abigail sollte sich lieber ein paar gute Antworten überlegen.
Als Talia stolperte, fing Adam sie gerade noch auf, bevor sie in den Abwasserkanal fiel. Sie stöhnte, während er sie hochhob. Am liebsten hätte er sie über eine Schulter geworfen, sodass er mit der einen Hand zumindest die Waffe halten konnte, aber er traute sich nicht, Druck auf ihr Zwerchfell auszuüben. Fluchend schob er die Waffe in den Gürtel und wiegte sie wie ein Baby in seinen Armen, wobei es ihn zur Verzweiflung brachte, dass sie ihn mit seinem Körper schützte und nicht umgekehrt.
Der Tunnel endete an einer Kreuzung aus Müll, und Zoe wählte den linken Weg, der auf einen dröhnenden Bass zuführte, in den sich ein hohes Jaulen mischte – da hatte jemand eine sehr eigenwillige Vorstellung von Musik.
Sie blieb an einer Metallleiter direkt unterhalb des Lärms stehen. »Die hier.« Adam musste die Worte von ihren Lippen ablesen, denn er konnte sie nicht hören.
Das Mädchen kletterte hinauf, und Adam fragte sich kurz, ob er Talia nun doch über seine Schulter werfen musste, aber Talia richtete sich auf, griff nach den Sprossen und erklomm die Leiter eine Stufe über ihm. Als sie oben ankam, griffen diverse Arme nach ihr und zogen sie durch das Loch, als hätten sie sie bereits erwartet. Adam hievte sich durch das Loch und fand sich in einer dunklen Gasse wieder, mehrstöckige feuchte Betongebäude ragten zu beiden Seiten auf. Eine Gruppe von Leuten trug Talia zu dem Hintereingang des ersten Gebäudes. Verzerrte Töne elektronischer Musik drangen aus der Tür.
Er sprang aus dem Gullyloch und folgte ihnen. Zwar juckte es ihm in den Fingern, seine Waffe zu ziehen, doch seine Vernunft siegte über diesen Impuls.
Abwarten.
Er betrat den Hintereingang von etwas, das ein Klub zu sein schien. Eine schwere Metalltür fiel hinter ihm ins Schloss. Der Geruch von abgestandenem Zigarettenrauch hing im Eingangsbereich und im Hauptraum. Die Wände hatte man schwarz gestrichen, ebenso den Betonboden. Überall hingen grelle, billige Flugblätter, was dem abgerockten Flair des Ladens eine freundliche Note verlieh.
Die Musik setzte sich aus einem düsteren Bassrhythmus und einzelnen melodischen Gitarreneffekten zusammen, die fast heiter geklungen hätten, wären sie nicht etwas dissonant gewesen. Eine Frauenstimme krönte die Melodie mit überirdischer, wenn nicht gar künstlicher Perfektion.
Eine Gruppe von Leuten, die ganz offensichtlich der Subkultur angehörten, drängte sich links um eine offen stehende Tür herum. Einige waren wie Zoe in Schwarz gehüllt, wobei
Weitere Kostenlose Bücher