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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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die komplizierten Griffe des Stückes in der Zeit nie vergessen, und die Musik hatte ihm gehorcht. Wahrscheinlich verdankte er die Beweglichkeit seiner Finger seinem neuen Dasein, aber er haderte immer noch mit dem Titel. Engel.
    Jack hielt einen Schlüssel hoch und tauschte ihn gegen die Gitarre. »Dasselbe Zimmer. Ich schicke euch Abendessen. Irgendwelche Vorlieben?«
    Eine einfache Frage schien eine gute Möglichkeit zu sein, Annabellas Stimmung zu ergründen. »Was möchtest du zum Abendessen haben?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Ihre Augen, in denen eben noch Tränen geschimmert hatte, wirkten selbstzufrieden. »Das ist mir egal.«
    Ebenfalls kein gutes Zeichen. Sie wirkte nicht gerade gelassen. Nicht im Geringsten. Sie war die schwierigste Frau, die er kannte. Wieso wirkte sie auf einmal so zufrieden?
    »Das Übliche also«, sagte Jack. »Zweimal.«
    Ein Saxofonspieler drängte neben ihn auf die Bühne. »Mann, das war verdammt gut. Ich mag gar nicht nach dir auftreten. Ich sollte wohl mächtig aufs Tempo drücken oder gehen.«
    Custo dankte ihm und räumte die Bühne. Er griff Annabellas Hand und führte sie durch den Club. Mit der anderen Hand hob sie ihren Rock an, damit er nicht über Jacks schmutzigen Clubboden schleifte. Sie hatte immer noch nichts gesagt und immer noch dieses fröhliche Funkeln in den Augen. Was stimmte sie derart glücklich?
    Die Welt befand sich im Krieg. Ihr war ein Wolf auf den Fersen, ihr Leben in Gefahr. Und sie tippelte durch einen Club, in den er sie gezwungen hatte.
    Wer war schon glücklich, nachdem er einen Blues gehört hatte? Sie müsste eigentlich unglücklich sein.
    Über eine versteckte Treppe stiegen sie in die obere Etage. Der Schlüssel gehörte zu der Wohnung direkt über dem Club. Jacks Behausung befand sich noch ein Stockwerk darüber. Bis zwei Uhr morgens, wenn der Club schloss, mussten sie zu den vibrierenden Bässen der Musik schlafen. Für Custo kein Problem, und Annabella musste damit klarkommen.
    Er schloss die Wohnung auf und ließ sie zuerst eintreten.
    »Hübsch«, sagte sie anerkennend. »Wieso ist der Club so eine Spelunke?«
    Custo sah sich um. Bunt zusammengewürfelte Ledermöbel waren vor einem Gaskamin zu einer kleinen Sitzgruppe arrangiert. Durch eine weitere Tür sah man das Schlafzimmer. Farbenfrohe Kunst, meist impressionistische Bilder von Jazzclubs und Künstlern schmückten die Wände. Die Rückwand des Raumes bestand aus einer Backsteinmauer mit Schwarz-Weiß-Fotografien, die Jack zusammen mit Musiklegenden zeigten. Nichts von alledem passte wirklich zusammen. Das Ganze hatte keinen Stil. Jack kaufte, was ihm gefiel. Und üblicherweise war sein Geschmack teuer.
    Custo warf seine Smokingjacke über die Rücklehne des Sofas und befreite sich von dem verdammten Kummerbund um seine Taille. »Der Club ist noch genauso, wie er war, als Jack ihn gekauft hat. Er ist etwas abergläubisch und will es sich mit dem Glück nicht verscherzen – das ist ihm nämlich sehr treu, seit er den Laden übernommen hat. Spelunke hin oder her, es ist überhaupt nicht schwierig, Leute anzulocken, die Musik hören wollen.«
    »Er mag dich«, stellte sie fest und musterte eine der Fotografien. Während sie sich nach vorne beugte, schimmerte ihre Haut in dem tief ausgeschnittenen blauen Kleid. Ihr Rückgrat beschrieb eine hübsche Kurve bis zu ihrem Po.
    »Wieso auch nicht?« Custo löste seine Fliege und ließ sie um seinen Hals hängen, damit er sie nicht verlor.
    Annabella lachte. Vor nicht einmal zwanzig Minuten war sie noch vollkommen entnervt gewesen, jetzt wirkte sie, als könne ihr nichts etwas anhaben. Custo verstand sie nicht. Der Wolf stellte immer noch ein Problem dar. Er konnte sich jetzt hier in der Wohnung befinden. Was war los mit ihr?
    Bass und Schlagzeug des nächsten Musikstücks ließen den Boden unter ihnen pulsieren.
    Sie drehte sich wieder zu ihm herum. Das Kleid schmiegte sich um ihre Taille und Hüften. »Was hast du gespielt?«
    »Ein Bürgerrechtsstück, es heißt Alabama .« Die Gitarre hatte sich absolut richtig angefühlt, das Stück genauso geklungen, wie er es sich vorgestellt hatte. Er hasste sich dafür, aber er musste sie einfach fragen. »Hat es dir gefallen?«
    Annabella sah ihn gefühlvoll an. »Ich liebe es.«
    Bei dem Ausdruck in ihren Augen wich er einen Schritt zurück. Er tat so, als hätte er ihn nicht gesehen und fände ihre Wortwahl schrecklich.
    Sie hob eine Braue. »Custo?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sieh mich nicht so

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