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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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spürte, sie immer spürte, weil seine Haut glühte. Jetzt brannte sie noch etwas mehr.
    Der Bassist, ein alter Kerl, hielt den Hals seines Kontrabasses, die Knöchel seiner Hand waren gedehnt. Der blutjunge Schlagzeuger trug schwarze Knöpfe in den Ohrläppchen. Ein Gitarrenkabel schlängelte sich vom Verstärker zur Mitte der Bühne und war um ein Stuhlbein gewickelt. Custo hob den Stuhl und platzierte ihn vorn am Rand der Bühne. Er stellte den Verstärker aus, damit es keine unangenehmen Geräusche gab, während er das Kabel einstöpselte, schaltete den Verstärker dann wieder an und war bereit.
    Er setzte sich auf den Stuhl, ließ den Blick über das Publikum gleiten und blieb bei der wütenden Annabella hängen. »Das ist für dich«, sagte er.
    Als Custo das Plektrum nahm, klammerte Annabella sich an ihren Sitz. Sie spannte sich innerlich an, um die in ihr tobenden Gefühle zu sortieren und unter Kontrolle zu halten. Die schlechte Luft in diesem Loch von einem Jazzclub verursachte ihr Übelkeit. Sie wollte hier weg, hatte aber keine andere Wahl, als zu bleiben.
    Sie forderten das Schicksal heraus, indem sie sie wie einen Köder in die Schatten hielten. Der Wolf konnte, würde jetzt jeden Augenblick auftauchen. Wieso griff er nicht wieder an? Sie war ungeschützt.
    Ein Schluck Wein brannte in ihrer Kehle. Sie hatte genug von Custo Santovari. Genug. Wenn er sich in ihrer Nähe befand, konnte sie weder klar denken noch fühlen. Engel? Teufel? Sie wusste es selbst nicht mehr.
    Natürlich hatte er ein deprimierendes Stück ausgewählt, die Melodie eine von diesen bluesartigen Klagegesängen in Moll. Sie hatte sich nie viel aus Free Jazz gemacht. Das musste anerzogen sein. Die leisen Schläge des Schlagzeugs zählten die letzten Minuten am Ende eines Lebens. Das Du-do-du-do des Basses klang wie ein Herz, kurz bevor es den letzten Schlag tat. Und dieses Stück hatte Custo ihr gewidmet. Na, vielen Dank.
    Sie verschränkte die Hände unter den Schenkeln, damit sie aufhörte zu zittern.
    Nicht, dass er irgendetwas für die ganze Wolfsgeschichte konnte. Aber dennoch … Erst zwang er sie, zu diesem albernen Empfang zu gehen, und dann kniff er. Heuchler. Sie brauchte niemanden, der in ihrem Kopf herumfuhrwerkte und ihre intimsten Gedanken auseinandernahm. Sie konnte nicht einfach aufhören zu denken, damit er nicht mehr an sie herankam. Oh Gott, was hatte er für fürchterliche Sachen über sie erfahren. Sie war kein Engel.
    Und dann hatte er sie auch noch zu diesem schrecklichen Loft geschleppt.
    Wozu sollte das gut sein? Wieso zeigte er ihr die Löcher der Kugeln, die seinen Körper durchbohrt hatten? Und wieso berührten und verletzten sie diese Spuren der Gewalt so sehr? Weil sie sich innerlich aufgerieben fühlte. Sie würde jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Sie weinte um jemanden, der bereits tot war.
    Um jemanden, den sie nicht haben konnte.
    Er spielte eine traurige Melodie auf der Gitarre, ein Stück über Herzschmerz, gegen das sie wehrlos war.
    Wie konnte er es wagen, sie so zu schikanieren? Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick. Wie kannst du mir das antun?
    Keine Antwort. Nicht einmal ein Augenzucken, während er mit einer Hand die Saiten zupfte und mit der anderen die Bunde bediente.
    Custo! Bring mich hier weg!
    Seit seinem Geständnis im Loft hatte sie ihn im Geiste angeschrien. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie in diesem Jazzclub waren. Wegen irgendeines Zimmers für die Nacht. Wenn sie nicht zurück nach Segue fahren konnten, würde sie lieber ihre Kreditkarte für ein verlässliches großes Doppelbett und ein Bad in einem Hotelzimmer opfern. Irgendetwas Normales.
    Ich bin müde. Ich will gehen.
    Nichts. Nur ein Aufheulen, als er eine Saite mit einem hohen Bund spielte. Die Gitarre verkörperte eine Stimme, die in dem Club um Aufmerksamkeit bat, die letzte Note sagte weinend Bitte!
    Sie musste nicht zuhören. Also wandte sie den Blick ab und biss die Zähne so fest zusammen, dass ihr Kiefer schmerzte.
    Das Stück verfolgte sie, aus der Melodie entwickelte sich ein Solo. Die leisen, vorwurfsvollen Töne steigerten sich zu einer wütenden Anklage voller Schmerz.
    Da begriff sie, dass Custo mit seinem Vater sprach.
    All die Dinge, die er nicht aussprechen konnte, drückte er mit einem Medium aus, mit dem er – wie sie mit ihrem Tanz – intuitiv und direkt kommunizieren konnte. Die Musik war eine Fremdsprache, aber sie war sprachbegabt und verstand.
    Mit jeder Saite, die Custo zum Klingen brachte,

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