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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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sie schlief.
    »Was ist mit Dr. Powell?«, fragte Custo ohne Umschweife.
    Es folgte eine lange Pause am anderen Ende. Zu lang. Dann: »Oh, Mist.«

18
    Annabella wusste, wie kalt und Furcht einflößend die Betonzellen unterhalb von Segue sein konnten, vor allem der Geruch von den eingesperrten Geistern. In dem Verhörraum, in dem Adam Dr. Powell festhielt, bis Annabella und Custo sich umgezogen hatten, stank es besonders widerlich. Das Gesicht grün vor Ärger richtete Dr. Powell den Kittel über ihrer Bluse, rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum, schlug die Beine übereinander und stellte sie wieder auf dem Boden ab. Die Frau wirkte trotzig und verschüchtert zugleich.
    Annabella saß in dem benachbarten Beobachtungsraum und kämpfte mit ihrem Gewissen: Im Grunde hatte sie die Frau in die Zelle verfrachtet. Doch Adam tat das Richtige: Lieber handelte er übervorsichtig und entschuldigte sich später dafür. Was bedeutete, dass Annabella ihm wohl seine herzlose Festnahme verzeihen musste. Verdammt.
    Custo stellte ein paar gezielte Fragen und nickte Adam kaum merklich zu. Verräterin.
    Rätsel gelöst. Stellte sich die Frage, warum. Eine Antwort darauf zu bekommen, konnte dauern und erforderte starke Nerven sowie ein sorgfältiges Verhör. Annabella und Adam mussten warten, bis Custo fertig war, bevor sie die wahre Geschichte erfuhren.
    Entspannt widmete sich Custo einer ausgiebigen Befragung und achtete sorgfältig darauf, Dr. Powell nicht darauf zu stoßen, dass er ihre Gedanken lesen konnte; ansonsten würde die Ärztin sich an einen »glücklichen Ort« zurückziehen. Dann würde er nichts Nützliches aus ihr herausbekommen. Gedankenlesen schien ziemlich schwierig zu sein. Was Annabella anging, war das ein recht kleiner Trost.
    Ihr Magen knurrte. Die Abenteuer bekamen ihrer Tänzerdiät jedenfalls hervorragend. Das chinesische Essen war köstlich gewesen, aber sie hatte es bereits vor Stunden verbrannt und spürte schon wieder unglaublichen Hunger. Die Ernsthaftigkeit der Situation und Adams steife Haltung hielten sie jedoch davon ab, etwas zu sagen. Jetzt war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt. Egal, sie kämpfte seit ihrem vierzehnten Lebensjahr gegen ihren Appetit. Sie konnte noch etwas länger warten.
    Annabella konzentrierte sich darauf, wie Custo die Gedanken der Ärztin erforschte. Er streifte ein paar Themen am Rande – Hintergrund, Erziehung, die Entscheidung, in Segue anzufangen – und fragte dann gezielt nach der Verbindung zu den Geistern, die die Ärztin weiterhin leugnete.
    »Custo hat mir erzählt, dass du auf Dr. Powell gekommen bist«, sagte Adam, hielt den Blick aber auf die Scheibe gerichtet. Selbst von der Seite wirkte er krank, gestresst und unglücklich. »Ich hätte selbst darauf kommen müssen, aber ich dachte … « Er brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln. »Vor ein paar Jahren haben die Geister unseren Sitz in Sweet Virginia angegriffen. Ein Verräter hatte unsere Waffen gestohlen und unsere Flucht sabotiert. Ich dachte, dass nur Spencer daran beteiligt gewesen wäre, aber es sieht so aus, als habe er eine Komplizin gehabt. Talia hat uns damals allen das Leben gerettet, einschließlich Gillian. Ich bin vollkommen schockiert, dass sie versucht, ihr zu schaden.« Adam wandte Annabella jetzt sein Gesicht zu. »Danke. Wenn sie Talia etwas angetan hätte … «
    »Aber das hat sie nicht«, erwiderte Annabella schnell. »Talia ist in Sicherheit. Die Babys ebenso. Und du hast deine Verräterin. Alles kommt in Ordnung.«
    Armer Adam, der werdende Vater. Er musste sich Vorwürfe machen, dass er in Anwesenheit der Ärztin geplappert hatte. Wirklich dumm. Er liebte seine Frau wohl sehr, wenn er ganz vergessen hatte, dass Talia nicht die einzige Person im Raum gewesen war.
    »Wusstest du, dass Custo Jazzgitarre spielen kann?«, fragte Annabella, um ihn abzulenken.
    Adam blinzelte und nickte kurz. »Ich habe ihn einmal spielen hören. Ich musste mich verstecken, damit er mich nicht sieht. Er war sehr gut.«
    »Er ist unglaublich«, korrigierte Annabella. In ihrer Gegenwart nannte niemand Custos Spiel einfach nur »sehr gut«. Ein Talent erkannte ein anderes Talent: der Mann, ihr Engel, war ein Genie.
    Adam zog forschend und zugleich mitleidig die Augen zusammen. »Du liebst ihn.«
    Annabella wollte sein Mitleid nicht. Sie wollte die Ausweglosigkeit ihrer Situation nicht auswalzen, schließlich entstand Liebe aus Hoffnung. Ihre Verbindung mit den Zwielichtlanden hatte ihr gezeigt, dass

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