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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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alles möglich war.
    »Er liebt mich auch«, erklärte sie trotzig. Sie sagte es weniger zu Adam als zu sich selbst. Gab es, abgesehen von dem Wolf, eine Zukunft für sie und Custo? Er hatte nichts gesagt, und sie hatte sich nicht getraut zu fragen.
    »Wenn er dich mit zu dem Loft genommen hat, muss er dich lieben. Ich selbst habe es nicht geschafft, noch einmal dorthin zu gehen, seit das passiert ist. Ich sehe ihn zwar jetzt hinter dieser Scheibe sitzen, aber der Schmerz ist noch zu frisch.«
    In Annabellas Hals bildete sich ein Kloß. Adam war der Einzige, mit dem sie wahrscheinlich je darüber sprechen konnte, und vielleicht bot sich eine solche Gelegenheit nie wieder. »Die Einschusslöcher haben mich … « Sie fand nicht das richtige Wort. »Sie waren so hässlich und so grausam. Ich kann mir nicht vorstellen … «
    »Wäre Custo durch einen Schuss gestorben, hätte er Glück gehabt. Das ist ein schneller Tod.« Adam biss die Zähne zusammen, die kleine Ader an seiner Schläfe trat hervor. »Aber nein, Spencer, dieser Scheißkerl, musste ihn foltern. Ihn zugrunde richten. Natürlich hat Custo, dieser dumme selbstlose Kerl, alles ausgehalten, damit Talia und ich flüchten konnten.«
    Gefoltert? Ihre Brust schnürte sich zu.
    Annabella musterte Custos Gesicht, er durchbohrte Dr. Powell mit seinem Blick. Wenn er mit der Ärztin fertig war, musste sie ihn noch einmal überall lieben, bis das heftige Gefühl nachließ, das diese Information in ihr ausgelöst hatte.
    »Er hat mich vom ersten Tag an beschützt«, sagte Adam, »hat immer das Schlimmste übernommen. Meine Schlachten geschlagen.«
    Annabella lächelte schwach. »Er hat etwas Ähnliches über dich gesagt.«
    Adam schwieg und starrte in den Raum, in dem Custo die Ärztin mit einer Frage nach der anderen festnagelte. Schließlich sagte er: »Danke jedenfalls. Sag Bescheid, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.«
    Annabellas Magen knurrte erneut, aber damit würde sie ihn nicht belästigen. Nachdem der Wolf immer noch nicht wieder aufgetaucht war, konnte sie genauso gut ihre Mutter anrufen und die Standpauke hinter sich bringen.
    »Hast du ein Telefon?« Bei ihrem Telefon war schon lange der Akku leer, es lag als glänzender Klotz in ihrer Trainingstasche.
    Adam reichte ihr ein schmales Mobiltelefon. Sie starrte auf die Oberfläche und versuchte herauszufinden, wie man den obermodernen Bildschirm einschaltete. Vielleicht konnte sie dann wählen. Natürlich nur, wenn sie hier unten ein Netz bekam. Adam griff zu ihr herüber und betätigte einen Knopf. Das Gerät leuchtete auf.
    Ja, Adams Telefon fand ein Netz. Vermutlich hatte es ein Vermögen gekostet.
    Feige, wie sie war, hörte sie zuerst ihre Nachrichten ab. Vier Stück.
    Die erste stammte von ihrer Mutter, die beunruhigt war, weil sie sie nach der Vorstellung in ihrer Garderobe verpasst hatte. Zudem sorge sie sich, weil sie gehört habe, dass es hinter dem Gebäude zu einem Zwischenfall mit Geistern gekommen sei. Zum Glück sei niemand verletzt worden. Dann schlug sie einen Bogen zu Annabellas »Verabredung« vom Vortag und fragte sich laut, ob sie den Jungen wohl kennenlernen würde. Zu Deutsch: Wie sehr gefällt er dir? Annabella gefiel der Junge sehr, aber ihre Mutter würde sobald keine Details erfahren. Löschen.
    Es folgten zwei Nachrichten von Venroy, eine Erinnerung an den Empfang und anschließend ein Tadel wegen ihres frühen Abgangs. Da war nichts zu machen. Sie konnte sich nur entschuldigen und bereuen und bis zur nächsten Vorstellung in zwei Tagen die Wogen glätten. Löschen.
    Die nächste Nachricht stammte wieder von ihrer Mutter, die lachte und sagte: »Das musst du dir anhören!« Es folgte ein statisches Rauschen, dann ein dumpfer Ton, und schließlich ertönte in der Ferne ein Jaulen, das sogleich wieder erstarb. Bei diesem Geräusch gab es kein Vertun.
    Ein hohes, lang gezogenes Heulen, das langsam abfiel, nur um wieder anzusteigen und sich zu halten.
    Annabella umklammerte das Fenstersims vor sich. Der gesamte Sauerstoff schien aus dem Raum verschwunden. Ihr Kopf hämmerte. Alles um sie herum drehte sich.
    Wieder hörte sie ihre Mom, die lachend sagte: »Das macht er schon seit Stunden. Die Hunde in der Nachbarschaft drehen allesamt durch. Es klingt, als wäre er direkt unter meinem Fester, aber ich kann nichts sehen. Ich habe den Tierschutzverein angerufen und hoffe, dass ich heute Nacht noch etwas Schlaf bekomme. Ruf mich an, wenn du kannst. Alles Liebe.«
    Eine monotone

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