Zwielichtlande
gedacht habe. Tut mir leid.«
Er musste sich nicht entschuldigen. Dann fühlte sie sich noch schlechter. »Es ist nur … «
»Mach dir keine Sorgen.« Zaghaft zog er einen Mundwinkel nach oben, aber sie sah, dass sein Körper noch angespannt war. Er stand auf, kam zu ihr – sein Geruch weckte erneut ihre Lust – und küsste sie auf den Kopf. »Ich habe noch einiges zu erledigen, bevor wir in die Stadt fahren. Ich sollte mich lieber darum kümmern.«
Als Custo den Raum verließ, blickte er noch einmal über die Schulter zurück und sah, wie Annabella eine blaugraue Jogginghose anzog. Rasch waren ihre hübschen, blassen Beine versteckt.
Als sie ihn geküsst und sich an ihn gedrängt hatte, hatte er ihren einzigen panischen Gedanken gelesen: der Wolf.
Vor Wut waren seine Nerven bis zum Bersten gespannt. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Es war noch nicht einmal zwölf Stunden her, dass der Wolf sie attackiert hatte. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Talia nicht eingegriffen hätte.
Annabella musste so viel verarbeiten. Er hätte ihr wirklich etwas Zeit lassen können. Mehr Selbstbeherrschung zeigen. Bei der Vorstellung, wie ihr Körper unter seinem lag, spannte seine Hose sich jetzt noch.
Custo saß im Wohnzimmer an Adams Computer und aktivierte den Bildschirm, indem er ihn mit den Fingern berührte. Er starrte auf eine Liste von Kreditkartenabbuchungen für Galaeintrittskarten, aber die Namen und Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Er dehnte die Hände, um die Erinnerung an Annabellas seidige Haut und ihren schlanken, erotischen Körper zu vertreiben.
Außerdem hatte er noch einiges zu erledigen, Altes und Neues, bevor er so mit ihr zusammen sein konnte, wie er es sich vorstellte – die Erinnerung musste eine Ewigkeit vorhalten. Bald würden ihn entweder der ziemlich wütende Schattenmann oder moralisierende Racheengel schnappen und aus dieser Welt befördern. Bevor es so weit war, gab es noch eine Menge zu tun.
Custo konzentrierte sich auf den Bildschirm und ging die neben den Kreditkartenkonten vermerkten Adressen und Telefonnummern durch.
Er steckte einen Kopfhörer ins Ohr, damit er beim Telefonieren weiterarbeiten konnte. »Tommy?«
»Ja«, Tommys raue Stimme dröhnte durch die Leitung. »Schön, dass du wieder da bist, Mann.«
»Schön, wieder da zu sein. Ich gehe davon aus, dass du auf dem Laufenden bist?«
»Ja. Adam hat uns heute Morgen über die Sicherheitsmaßnahmen informiert und uns gebeten, dich zu unterstützen. Angeblich ist ein gruseliges, gestaltwandelndes Schattenmonster hinter deinem Mädchen her.«
Seinem Mädchen? Noch nicht, aber Custo verzichtete darauf, ihn zu korrigieren »Ich möchte, dass so viele Agenten aus Segue wie möglich im Publikum sitzen. Stell ein Team zusammen. Du hast alles Geld, das du brauchst, damit du so viele Eintrittskarten wie möglich zurückkaufen kannst. Ich schicke dir jetzt die Kreditkartenliste. Geh diskret vor.«
Custo beendete das Gespräch und öffnete eine andere Datei, ein Verzeichnis der Mitarbeiter von Segue, aus dem hervorging, wer vor und wer nach seinem Tod dort angefangen hatte. Eine der Personen, denen sie vertrauten, war ein Verräter und machte gemeinsame Sache mit den Geistern. Adam hatte die Profile bereits durchgesehen und Gedanken und Hintergrundinformationen neben den Namen eingefügt.
Heute Abend ging die Gala vor, aber Custo musste sich unbedingt um diesen Verräter kümmern. Spencer, das Arschloch, das ihn umgebracht hatte, hatte sehr selbstbewusst und herablassend von dem Verräter gesprochen und war sicher gewesen, dass dieser hinterhältige Mistkerl Segue erfolgreich zu Fall bringen würde. Spencers Bestimmtheit deutete darauf hin, dass es jemand aus Adams engstem Umfeld sein musste.
Aber wer? Die Männer schienen alle vertrauenswürdig zu sein: Tommy, Jens, der offenbar in den vergangenen zwei Jahren eine Menge Haare verloren hatte, Gomez, Jackson … Eine lange Liste folgte.
Noch nie war es ihm so schwergefallen, ein Team zusammenzustellen.
Vielleicht konnte Tommy die Eintrittskarten aufkaufen, aber jemand anders musste die Sicherheitsbeamten hinter die Bühne führen. Tommys elegante, umgängliche Art wäre perfekt für die Gala geeignet, aber Jens konnte eine Einheit anführen. Um sich doppelt abzusichern, würde er die Aufgaben so aufteilen, dass sie sich zum Teil überschnitten.
Custo würde die ganze Zeit bei Annabella bleiben.
Und Gomez? Jackson? Wie viel wusste er eigentlich über sie?
Verdammt.
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