Zwielichtlande
eigenes Zuhause.«
Er könnte also dem Orden angehören, ohne wirklich einen der Bewohner ertragen zu müssen. Das war eine Überlegung wert, vor allem wenn er Zugang zu den Waffen hatte. Es musste einen Haken geben.
»Kein Haken«, entgegnete Luca. »Dienst. Du widmest dich dem Wohlergehen der Welt, was für dich eine Kleinigkeit ist, denn das tust du bereits. Du wärst nicht hier in der sterblichen Welt, wenn du dich nicht dazu entschlossen hättest.«
Custo schüttelte abwehrend den Kopf. Er befand sich hier auf der Erde, weil er über das Tor gesprungen und ausgebrochen war.
»Aber wieso bist du über das Tor gesprungen?«, fragte Luca.
»Weil dort oben niemand etwas unternehmen wollte.« Custos Herz schlug auf einmal heftig vor Wut. »Es war ein Krieg im Gang, und niemand wollte mir zuhören. Verdammt.«
»Wie oft bin ich während deiner Wache am Tor zu dir gekommen? Denk erst nach und beantworte mir dann die folgende Frage: Wer wollte nicht zuhören?« Luca neigte leicht ironisch den Kopf. »Jetzt hörst du zu. Schließ dich uns an.«
Custo konnte nicht glauben, was er da hörte. Was hatte er alles durchgemacht, den Tod verärgert, sich durch die Zwielichtlande gekämpft. War vollkommen unkontrolliert auf der Erde aufgeschlagen. Und hatte den Schattenwolf mitgebracht.
»Du hast schon immer gern den schwierigeren Weg gewählt«, stellte Luca fest.
»Geh aus meinem Kopf.«
Custo musste nachdenken. Das konnte er nicht, wenn Luca jede seiner Schlussfolgerungen kommentierte.
»Wieso kommst du nicht wieder mit nach unten, siehst eine Weile zu und überlegst es dir?«
»Du sollst mich auch nicht bevormunden.«
Luca hob beschwichtigend die Hände. »Ich versuche nur zu helfen.«
Dann drehte er sich um und ließ ihn in dem kleinen Zimmer allein. Custo konnte hören, wie er leise die Stufen hinunterging. Luca überließ ihn seinen Gedanken und gab ihm so viel Raum wie möglich, um die neuen Informationen zu verarbeiten und zu einer Entscheidung zu kommen. Eine, von der Luca meinte, dass er sie bereits getroffen hatte.
Hatte er?
Custo wusste es nicht. Luca war überzeugend, aber Custo war auf das Gespräch nicht vorbereitet gewesen. Er hatte damit gerechnet, in Verwahrung genommen zu werden. Hatte Angst gehabt, dass seine ganze Arbeit unvollendet bliebe, seine Freunde ungeschützt. Jetzt schienen diese Sorgen nichtig.
Der helle kleine Raum war eng. Custo verließ ihn und ging zur Treppe. Vielleicht sollte er ein bisschen im Kontrollraum zusehen, ein Gefühl dafür entwickeln, wie der Orden arbeitete, und dann eine Entscheidung fällen.
Er kam an der Waffenkammer vorbei und dachte wieder an den Dolch. Er durfte ihn benutzen, das sprach eindeutig für den Orden. Wenn die Geister wieder in der Defensive wären, war Talia in Sicherheit. Und der Schattenwolf? Bei der glitzernden Auswahl musste auch etwas für ihn dabei sein.
Okay: eine Wohnung in der Stadt, vorzugsweise in der Nähe von Annabella. Eine Möglichkeit, die Monster zu bekämpfen, die in das Leben seiner Freunde eingriffen. Und er musste lediglich ab und an mit dem Orden in Kontakt treten. Custo musste Luca fast zustimmen.
Wenn Custo sowieso schon kämpfte, konnte er es auch mit den besten Geräten und unter der Ägide der anderen Engel tun.
Er erreichte den Hauptflur und war noch unschlüssig. Luca stand mit dem Rücken zu Custo an der Rückseite des Kontrollraums. Als Custo näher kam, wandte sich ihm Luca zu. »Schon entschieden?«
Fast. Noch zögerte Custo. Irgendetwas störte ihn, es arbeitete in seinem Kopf, seit sie das Gespräch begonnen hatten.
Richtig . Seine Stimmung verfinsterte sich. »Du hast zu Adam gesagt, dass die Geister zurzeit nicht zu euren Aufgaben zählten.«
Luca schüttelte den Kopf. »Die Geister sind in der sterblichen Welt gefangen; sie gehen nirgends hin. Dein Adam leistet Bewundernswertes, indem er sie unter Kontrolle hält. Wir kümmern uns um die Grenzüberschreitungen zwischen den Welten. Wir müssen die Grenzen instand setzen, bevor noch mehr dunkle Schattenwesen die sterbliche Welt bevölkern und ähnlichen Schaden anrichten wie der, der die Geister überhaupt erst geschaffen hat.«
»Aber ihr habt gestern Abend auf der Straße gegen die Geister gekämpft. Was ist heute anders?«
Luca seufzte ungeduldig, als wäre Custo schwer von Begriff. »Wir haben nicht gegen die Geister gekämpft. Das war überhaupt nicht unser Ziel.«
»Für mich hat es so ausgesehen.«
»Dann bist du immer noch ein Narr«, sagte
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