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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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wollte.«
    Der Kerl war nicht ihr Verräter. Der nächste?
    Während der dritten Befragung richtete Annabella sich im Bett auf, woraufhin Custo im Anschluss eine Pause anordnete. Adam hatte recht – sie sah deutlich besser aus, obwohl sie die Lippen fest aufeinanderpresste, den Körper anspannte und etwas schreckhaft war. Sie wollte immer noch nichts essen.
    Sie kämpfte mit sich, ob sie Venroy anrufen und den Empfang absagen oder sich das ersparen und gleich auf alles pfeifen sollte. Sie neigte zu Letzterem, ein überaus schlechtes Zeichen. Sie hatte schon den Impuls unterdrückt, ihre Mutter anzurufen.
    Etwas mehr als vierundzwanzig Stunden waren vergangen, und sie standen wieder am Anfang. Sie wollte das Tanzen aufgeben. Das war nicht richtig. Das war nicht Annabella.
    »Um wie viel Uhr ist der Empfang?«, fragte Custo.
    »Das ist egal«, erwiderte sie. »Ich gehe sowieso nicht hin.«
    Auch wenn Abigail, das Medium, laut Zoe gesagt hatte, sie sollten an dem Empfang teilnehmen, war Custo bis zu jenem Moment unentschlossen gewesen. Die Vorstellung, Annabella der Öffentlichkeit preiszugeben, gefiel ihm nicht. In Segue war sie zwar auch nicht sicher, aber hier besaßen sie zumindest einen Heimvorteil. Doch die Resignation in ihren Augen erschien ihm genauso gefährlich wie der Wolf. Sie musste weiterleben, ihrer Leidenschaft für den vollkommenen Tanz frönen, ansonsten klang das Angebot des Wolfes umso verlockender, ihre Sehnsucht nach den Schatten umso stärker.
    »Wir gehen zu dem Empfang«, erklärte er.
    »Custo«, schaltete Adam sich ein, »Ich weiß nicht … « … ob das jetzt gerade das Beste ist.
    »Nein, Adam«, entgegnete Custo. Wenn man ihrer Angst genügend Raum ließ, nahmen ihre Energie ab und die Selbstzweifel zu.
    Adam sah ihn an. Du hast es selbst gesagt. Sie hat heute schon genug durchgemacht.
    Custo schlug ganz bewusst einen strengen Ton an: »Sie kann sich nicht den Luxus erlauben, in Selbstmitleid zu schwelgen. Sie muss an diesem verdammten Empfang teilnehmen, ihre Courage wiederfinden. Wer weiß, was morgen ist?«
    Aus vor Angst geweiteten Augen sah Annabella ihn an. Custo beobachtete, wie sich ihre Furcht in Vorwürfe und Wut verwandelte, doch sie sagte nichts. Er drang in ihre Gedanken ein: Sie waren tödlich, was allerdings nichts mit dem Wolf zu tun hatte – sie wollte Custo die Augen auskratzen.
    Gut. Immerhin war sie nun wieder voller Energie, auch wenn seine Chancen schwanden, sie je wieder zu berühren. In ihr zu sein. Wenn dieses Opfer nicht einem Engel würdig war, wusste er es auch nicht.
    »Außerdem«, fügte Custo hinzu, »ist das genau das, was der Wolf will. Er will dich um das Leben bringen, das du dir so hart erkämpft hast. Wenn du nicht an dem Empfang teilnimmst, hat er wieder einen Sieg errungen. Als Primaballerina findet der Empfang doch auch zu deinen Ehren statt, oder nicht?«
    Sie biss die Zähne zusammen, die feinen Muskeln an ihrem Kiefer zuckten, aber sie nickte. Ja.
    Ihr Blick verfinsterte sich, und Custo wusste, dass sie über seine Worte nachdachte. Sie war dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.
    »Lass uns hingehen«, sagte Custo aufmunternd. »Wir müssen ja nicht lange bleiben.«
    »Ich habe nichts anzuziehen«, sagte sie mit belegter Stimme, »und ich fahre nicht nach Hause, um mein Kleid zu holen. Ich gehe nie wieder dorthin zurück.«
    »Darum kümmere ich mich«, bot Adam an. »Willst du meinen Smoking haben, Custo?«
    Nach dem Mord an Peter brauchte Annabella auf jeden Fall ein neues Zuhause.
    »Custo?«
    Der Smoking . »Er wird mir an den Schultern etwas zu eng sein, aber es wird schon gehen«, erwiderte Custo mechanisch. Es war ein alter Witz zwischen ihnen und ein schwacher Versuch, die Stimmung aufzuheitern.
    Zumindest lächelte Adam ein bisschen und klopfte ihm auf die Schulter. Annabella wandte sich trotzig ab und stieg wieder ins Bett. Adam brachte ihr ein Laptop, damit sie sich die Zeit vertreiben konnte, solange Custo die Soldaten verhörte. Da sie sich den Film Totenerwachen herunterlud, waren hin und wieder leise Schreie zu hören, während Custo arbeitete.
    Er konnte sich kein deutlicheres »Leck mich« vorstellen. Es war sehr effektiv.
    Vierundzwanzig Befragungen später war Custo mehr als verwirrt. Er hatte alle möglichen Fragen gestellt, aber noch nie war er aufrichtigeren, loyaleren Männern begegnet.
    Ratlosigkeit machte sich in ihm breit. Irgendetwas hatte er offenbar übersehen, aber bevor er einen weiteren Versuch unternehmen

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