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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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konnte, musste er erst noch einmal alles durchsehen. Und langsam wurde es spät.
    An der Badezimmertür hing ein Kleidersack, der vermutlich ihre Kleidung für den Abend enthielt. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass sie sich beeilen mussten, wenn sie es zu dem Empfang schaffen wollten.
    Custo duschte rasch und entfernte den nun überflüssigen Verband von seinem Bauch, während Annabella sich am Waschbecken schminkte. Als er herauskam, nutzte sie die offen stehende Tür der Duschkabine, um sich dahinter umzuziehen. Dabei war sie alles andere als genant. Ganz abgesehen davon hatte er ihren reizenden Körper erst heute Morgen in Gänze gesehen, aber damit konnte er leben.
    Adams klassisch geschnittener Smoking saß tatsächlich etwas knapp an den Schultern, was Custo bei der erstbesten Gelegenheit erwähnen würde, aber er sah gut aus.
    Annabella trat hinter der Duschwand hervor und sah beeindruckend aus. Sie trug ein kobaltblaues Kleid, das ihre Haut erstrahlen ließ, und hatte die dicken Haare locker hochgesteckt. Ihre Augen glänzten, und die geschminkten Lippen wirkten zickig und schmollend zugleich. Als sie sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, sah er, dass der Ausschnitt in Form eines V bis hinunter zum Poansatz reichte und ihren geschmeidigen Körper voll zur Geltung brachte, während sich der Stoff locker um Taille und Hüften schmiegte.
    Es juckte Custo in den Fingern, über ihre Haut zu streichen, den Stoff von ihren Schultern zu schieben, ihre Haare zu lösen und mit den Lippen ihren Nacken zu liebkosen. Er bedauerte sehr, dass er sie so verärgert hatte.
    Es versprach, eine höllische Nacht zu werden.
    Wolf zerriss mit einer Klaue die Bettlaken. In ihm tobten Wut und Begehren und trübten seinen Blick. Die Konturen des Raumes verdoppelten sich, und die Farben und Ränder um ihn herum verschoben sich, während er mit den Beinen auf der viel zu weichen Matratze Halt suchte. Frau. Engel. Blut. Und zahlreiche andere Sterbliche, alles Männer, aber schwer auseinanderzuhalten.
    Die Quellen dieser intensiven, anregenden Gerüche waren jetzt verschwunden. Auch die Frau.
    Die Schatten hatten ihn nur widerwillig, zu spät und kraftlos, wieder in die Welt entlassen. Er fühlte sich zu schwach, um sie zu packen und auf seinen Vorteil zu drängen. Etwas früher, als sie noch zu ängstlich und schwach gewesen war, um sich zu wehren, hätte er ihre Einwilligung erzwingen können.
    Seine eigenen Schatten hatten ihn verraten, aber sie waren schon immer unzuverlässig und wankelmütig wie die Äste der Zwielichtlande gewesen.
    Wolf schüttelte seinen Pelz. Jetzt hatte er seine Gestalt wieder. Die Frau mochte beschlossen haben, seinen Namen nicht mehr zu benutzen, aber sie konnte ihn nicht mehr zurücknehmen.
    Er musste ihr eine Falle stellen. Keinen Käfig wie in den unteren Geschossen dieses massiven Gebäudes, wo sie die mit Leben gefüllten Körper hielten, die die Menschen als Geister bezeichneten.
    Nein, er brauchte eine Menschenfalle, er musste ein menschliches Herz fangen.
    Und die Todesfee, die Mutter, hatte ihm beigebracht, wie.

15
    Als Annabella den Empfang betrat, wurde sie erneut mit Applaus begrüßt. Sie lächelte und bedankte sich, neigte diesmal jedoch nur leicht den Kopf. Sie hatte genug vom Verbeugen. Es wurde deutlich überschätzt.
    Der Empfang fand in einem extravaganten Penthouse eines Ballettförderers an der Upper East Side statt. Ein Champagnerempfang zum Auftakt der Saison. Die Gastgeber stellten einen Reichtum zur Schau, von dem Annabellas Familie nicht zu träumen gewagt hätte. Im Eingangsbereich, der um ein Vielfaches größer war als Annabellas Wohnung, hing ein riesiger bunter Kronleuchter mit mundgeblasenen Tautropfen.
    Auch dies war der Übergang in eine andere Welt.
    Custos Hand ruhte warm auf dem unteren Teil ihres Rückens, als sei er ihr Begleiter. Aber sie würde einen Teufel tun und sich bestimmt nicht an ihn lehnen, nur, um sich wieder eine Bemerkung über ihre fehlende Courage anzuhören. Ein albtraumhafter Schatten war heute über sie hinweggeglitten; der Mann hätte sich etwas sensibler zeigen können.
    Annabellas Zutrauen, Segue oder Custo seien in der Lage, sie von dem Wolf zu befreien, schwand rapide. Noch schlimmer wäre es, wenn er sie in Besitz nahm, so wie er es mit Abigail getan hatte. Unvorstellbar viel schlimmer.
    Oder besser? Auf eine verwirrende Weise sehnte sie sich nach dem, was Wolf – verdammt der Wolf – ihr anbot. Sie sehnte sich so sehr danach,

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