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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Obrecht
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ist ziemlich unscharf. Die Kamera hat auf den Fliederstrauch im Vordergrund scharf gestellt. Aber meine Eltern erkenne ich auch in unscharfem Zustand. Die Babys sind eindeutig Babys. Das Foto trägt ein Datum. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war ich genau vier Wochen alt.
    „ Aber dann ist sie nicht aus dem Krankenhaus geklaut worden “ , sage ich enttäuscht.
    „ Kapier ich nicht “ , gibt Alisia zu. „ Und wer ist die Frau am Rand? “
    Sie beugt sich vor, um das Bild genauer zu betrachten. Aber da kleben Jana und Jule auf uns drauf, greifen mit klebrigen Safthänden nach Aktenordnern und Fotos, und die Babys brüllen dazu so laut, dass der Krawallator von der Decke fallen würde, hätte Papa ihn nicht abmontiert und mitgenommen.
    „ Pass mal kurz auf die beiden auf “ , bitte ich Alisia. Ich schüttle Jana und Jule ab und sause die Treppe runter. Es ist so laut, dass die Gedanken in meinem Kopf durcheinanderwirbeln wie in einem Tornado. Ein Beweis! Wir haben einen Beweis gefunden. Aber das Rätsel ist dadurch jetzt noch größer als zuvor.

Ich hatte ja eigentlich gedacht, die Sache mit dem Besuch bei Familie Quintana hätte sich durch den Fotofund erledigt. Aber Alisia lässt nicht locker. Sie besteht darauf, dass Frau Quintana S2 trotzdem geklaut haben kann … nur eben ein paar Wochen später. Aus dem Garten zum Beispiel, während meine Schwester und ich friedlich geschlafen haben und meine Eltern mit den beiden Jungs beschäftigt waren.
    „ Ausschließen kannst du das nicht, oder? “ , fragt Alisia siegessicher.
    Kann ich natürlich nicht.
    Und so kommt es, dass wir nachmittags um vier an einer fremden Tür klingeln. Die Tür befindet sich im vierten Stock eines grauen Wohnblocks, an den vor zwei Jahren bunte Balkons drangebaut worden sind, wohl, damit das Viertel fröhlicher aussieht. Es sieht aber immer noch nicht fröhlicher aus, sondern nur wie eine hässliche Frau mit grell geschminkten Lippen.
    Ich mag die Siedlung nicht. Die vielen hohen Häuser, die mit ihren zahllosen Fensteraugen auf mich herabgucken, sind mir unheimlich.
    „ Sie sind nicht zu Hause “ , erkläre ich, als das Klingeln noch nicht einmal im Flur verhallt ist.
    „ Quatsch “ , sagt Alisia gnadenlos. „ Es läuft doch Musik. “
    Und schon poltert es in der Wohnung. Ein kleiner Junge mit schwarzen Haaren und ziemlich brauner Haut öffnet die Tür, die mit einer Sperrkette gesichert ist. Die Musik wird lauter. Es ist sehr rhythmische, fröhliche Musik.
    „ Was wollt ihr denn? “ , fragt der Junge.
    „ Ist deine Schwester da? “
    Der Junge schüttelt schweigend den Kopf.
    „ Aber wir sind mit ihr verabredet “ , erklärt Alisia. „ Können wir auf sie warten? Deine Mutter ist doch bestimmt auch zu Hause. “
    Passend zum Stichwort taucht die Mutter des kleinen Jungen auf. Auch sie hat rabenschwarze Haare, dunkle Augen, und sieht insgesamt so aus, als käme sie aus einem Land, in dem durchgehend die Sonne scheint. Sie wischt sich die nassen Hände an ihrer Jeans ab und runzelt die Stirn, aber sie sieht trotzdem freundlich aus. Wie eine Verbrecherin wirkt sie nicht gerade. Aber Frauen, die Kinder entführen, sind ja keine normalen Verbrecher. Sie können nicht anders. Sie behandeln die entführten Kinder dann gut und vergessen vollkommen, dass es gar nicht ihre eigenen sind.
    „ Wir möchten nur zu Ihrer Tochter “ , sagt Alisia.
    „ Zu Sina? Sie ist jeden Moment zurück. Kommt rein. “
    Alisia kann es sich nicht verkneifen, mich in die Seite zu boxen. Als wäre das nötig! Natürlich ist mir der Name sofort aufgefallen – ein Name, der mit S anfängt! Mein Herz klopft wie verrückt. Das wäre jetzt der absolute Hammer – wenn jetzt ein Mädchen, das genauso aussieht wie ich, die Treppe hochkäme!
    Wir lassen uns in Sinas Zimmer abschieben. Alisia sieht sich nach Fotos um, aber hier hängen nur Katzen- und Hundeposter an den Wänden. Komisch, ich mag Hunde und Katzen auch sehr gerne. Hm – gibt es überhaupt Menschen, die Katzen und Hunde NICHT mögen?
    „ Meinst du, der Junge ist auch geklaut? “ , flüstert Alisia. Ihre Füße wippen zu der Musik, die offenbar aus der Küche kommt.
    „ Ich finde, er sieht der Mutter ähnlich “ , wende ich ein.
    Ich höre die Frau in der Küche rumoren. Hat sie die Messerschublade aufgezogen? Was, wenn sie ahnt, dass wir ihr auf die Schliche gekommen sind? Vielleicht können Leute, die Kinder klauen, auch Kinder verschwinden lassen. Es war ganz schön leichtsinnig von uns,

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