Zwilling verzweifelt gesucht
ein.
Alisia sieht mir in die Augen. „ Tut mir leid. Das war wohl eine falsche Spur. Wir sind keinen Millimeter weitergekommen. “
„ Du konntest es nicht wissen. Es hätte auch klappen können. “
Alisia starrt die Straße hinunter. Ich folge ihrem Blick. Frau Rabusch schrubbt gerade wieder den Bürgersteig vor ihrem Gartentor.
„ Gut, dass die keinen Zwilling hat “ , murmelt Alisia. „ Zwei von der Sorte, das wäre nicht auszuhalten. “
Ich sehe Frau Rabusch einen Moment lang zu. Und dabei streift mich ein überraschender Gedanke, den ich von mir selbst nicht erwartet hätte. Frau Rabusch wäre ja vielleicht gar nicht diese Frau Rabusch, wenn sie eine Zwillingsschwester hätte. Frau Rabusch ist vielleicht nur Frau Rabusch, weil sie dauernd alleine ist. Weil weder eine Zwillingsschwester noch einer der sechs Wolfsbrüder noch der Sohn bei ihr leben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das wäre, Tag für Tag alleine zu sein. Wer weiß – wenn mein Leben eines Tages so aussieht wie das von Frau Rabusch, dann fange ich womöglich auch noch an, den Bürgersteig zu schrubben oder wenigstens mein Zimmer ganz ordentlich aufzuräumen.
Etwa eine halbe Sekunde lang denke ich sogar daran, Frau Rabusch bald noch einmal zu besuchen. Sie war ja eigentlich gar nicht so unfreundlich zu mir. Vielleicht könnte ich dann noch einmal genauer nach ihrem Sohn fragen. Aber dann muss ich garantiert wieder jede Menge Milch trinken! Das kann ich mir nicht schon wieder antun. Mein Magen hat sich vom letzten Mal noch nicht erholt.
Ich verabschiede mich von Alisia und radle sehr schnell und mit einem sehr schludrig hingeworfenen Gruß an Frau Rabusch vorbei. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie sich aufrichtet und mir nachschaut, aber ihren Gesichtsausdruck kann ich nicht erkennen.
Papa berichtet, der Krawallator war auf der Messe eine einzige Pleite. Er sagt, er hat sich blamiert und kann nur hoffen, dass bis zur nächsten Erfindermesse alle Leute sein Gesicht und vor allem seinen Namen vergessen haben.
Mama behauptet, der Krawallator war ein Riesenerfolg und in wenigen Tagen wird hier das Telefon nicht mehr stillstehen. Und damit ist über meine Eltern schon das Wesentliche gesagt.
Finn und Fabian vermuten, dass mein Vater recht hat. Aber Frauen müssen zusammenhalten, und deswegen glaube ich persönlich meiner Mutter. Sie hat mir mit leuchtenden Augen geschildert, wie Männer in makellos sitzenden dunklen Anzügen und perfekt geknüpften Krawatten sich Papas Erfindung genau angesehen und jede Menge Notizen in ihre kleinen Tablet-Computer eingegeben haben.
Finn meint, dass es vermutlich Spione aus irgendeinem fernöstlichen Land waren, die Papas Erfindung klauen und in großen Fabriken nachbauen werden.
„ Glaube ich nicht “ , sagte ich. „ Mama hat nichts davon gesagt, dass die Männer asiatisch aussahen. Und außerdem kann es ja sein, dass die Kinder in anderen Ländern deutsche Schlager richtig gut finden und erst recht Krach machen. Dann funktioniert der Krawallator gar nicht. “
„ Es gibt bestimmt chinesische Schlager, die chinesische Kinder ganz grauenhaft finden “ , mutmaßt Fabian. „ Die passen jede Erfindung locker an ihre eigene Kultur an, ist doch klar. “
Finn schüttelt den Kopf.
„ Ich glaube nicht, dass heutzutage jemand eine Erfindung kauft oder klaut, die nichts mit Computern zu tun hat. “
Fabian nickt bedächtig.
„ Ihr werdet schon sehen “ , fauche ich. „ Bald haben wir Geld wie Heu. “
In den Augen meiner Zwillingsbrüder funkelt es kurz. Sie haben schon jede Menge Ideen, wofür man einen Haufen Geld gebrauchen könnte.
„ Bis jetzt hat es noch nie geklappt “ , gibt Finn schließlich zu bedenken. „ Bis jetzt war alles, was er erfunden hat, eine Pleite. “
Dagegen kann ich nicht viel einwenden. Papa hat immer irgendwelche Jobs – als Hausmeister oder Entrümpler oder beim Messebau oder so etwas – weil er mit seinen Erfindungen so gut wie nie Geld verdient. Mama verdient auch ein bisschen – sie macht Übersetzungen aus dem Spanischen und korrigiert Texte, die andere Leute geschrieben haben. Mama kennt sich mit Rechtschreibung und Grammatik recht gut aus und kann es nicht leiden, wenn Leute holperige Sätze schreiben.
Gut, dass unser Haus nicht viel Geld kostet – mein Vater hat es von seinem Onkel geerbt. Er und Mama reparieren daran alles Mögliche selbst. Sie klettern manchmal sogar auf dem Dach herum. Das finde ich sehr verantwortungslos. Eltern von so
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