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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Obrecht
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natürlich keine Gnade. Einerseits beruhigt mich der Gedanke, dass mich in diesem Aufzug wirklich keiner erkennen kann, aber andererseits finde ich es auch beleidigend, dass Alisia meiner Zwillingsschwester so einen schlechten Geschmack unterstellt. Hat sie so eine miese Meinung von ihr? Hoffentlich vertragen sich die beiden! Sonst gerate ich wirklich in Schwierigkeiten.
    Ich schlüpfe mit angehaltenem Atem in ein rosafarbenes Rüschenmonster. Darin fühle ich mich wie ein Geschenk, das jemand aufwendig in buntes Papier eingewickelt hat, mit Schleifchen drum und allem.
    „ Cool! “ , stellt Alisia fest. „ Man erkennt dich wirklich fast nicht mehr. “
    Ich atme auf und wage es, in den Spiegel zu sehen. Dann löse ich meinen Pferdeschwanz und lasse meine Haare über die Schultern hängen. Ich trage meine Haare niemals offen, weil es mich nervt, wenn der Wind sie mir ins Gesicht weht.
    „ Komm raus “ , befiehlt Alisia. „ In der Kabine ist es zu dunkel zum Fotografieren. “
    „ Die Kamera hat Blitz. Bitte. So gehe ich da nicht raus! “
    Alisia verdreht die Augen, aber sie zieht die Kamera aus dem Rucksack und knipst ungefähr fünfzig Bilder von mir im rosa Rüschenlook. Glücklicherweise ist danach die Batterie leer. Wenigstens darf ich lächeln. Meine Schwester ist ja keine Verbrecherin, die gesucht wird. Verbrecher dürfen auf ihren Fotos nie lächeln. Na gut, ich glaube, mein Lächeln wirkt jetzt ein bisschen verkrampft.
    „ Dein erster Auftritt als Model “ , stellt Alisia fest, als sie die Kamera wieder einpackt. „ War gar nicht so schlecht. “
    „ Vergiss es. Kann ich mich jetzt wieder normal anziehen? “
    „ Klar. Wenn dir das Kleid nicht gefällt. Ich finde, du siehst niedlich aus. Wie eine kleine Prinzessin. “
    Ich sehe mich nach einem Wurfgeschoss um, aber Alisia ist bereits aus der Kabine geschlüpft.
    Als ich wieder in meinen eigenen Klamotten stecke, fühle ich mich gleich viel besser. Ich hänge das Rüschenmonster zurück an den Ständer und lächle der Verkäuferin an der Kasse entschuldigend zu. Sie lächelt verständnisvoll zurück. Wahrscheinlich denkt sie, ich bin ein armes Kind, das von einem rosafarbenen Prinzessinnenkleid träumt, es sich aber nicht leisten kann. Hoffentlich rennt sie nicht hinter mir her und bietet mir an, mir das Kleid zu schenken! Aber das geht vermutlich gar nicht. Wenn sie so viel Mitleid für Leute ohne Geld hätte, wäre sie ihren Job schnell wieder los.
    Das Plakat wollen wir bei Alisia zu Hause zusammenbasteln. Ihre Mutter besitzt einen guten Drucker – unserer ist ständig kaputt – und außerdem kann man in ihrem Zimmer in Ruhe arbeiten, ohne von Geschwistern oder Hunden überfallen zu werden. Alisias Mutter gehört jedenfalls nicht zur Zielgruppe für den Krawallator. Bei den beiden ist es immer still. Es riecht ein bisschen nach Blumen oder einem sehr blumigen Parfum, nicht mal das Radio läuft, und wenn der Kühlschrank sich einschaltet, zuckt man richtig zusammen. Ein bisschen Ruhe ist schon hilfreich, wenn man sich konzentrieren muss.
    Zunächst gilt es, das beste Bild auszusuchen. Alisia und ich streiten uns eine ganze Weile, weil ich ganz anders entscheiden würde als sie.

    „ Aber so sehe ich doch gar nicht aus! “ , sage ich ärgerlich, als sie dann das Bild ausdruckt, das ihr am besten gefällt.
    „ Eben! Es ist ja auch gar kein Bild von dir! Ein bisschen anders wird deine Schwester ja wohl aussehen, oder? “
    „ Ja, schon, aber .… aber vielleicht anders anders. “
    „ Wir haben aber nur so anders. “
    Alisia zieht das fertige Bild aus dem Drucker und betrachtet es zufrieden. „ Großartig! Du wirkst so richtig unglücklich und hilflos! “
    „ Das lag nur an dem blöden Kleid! Ich … “
    Aber dann verstumme ich. Alisia, das Bond Girl, tut vielleicht genau das Richtige. Ich möchte ja gar nicht als gesuchte Person auf dem Plakat auftauchen. Das Plakat soll einen anderen Menschen zeigen, der nur rein zufällig genauso aussieht wie ich.
    Alisia vergrößert den Bildausschnitt noch und lässt auf mein ausdauerndes Gemecker hin einige Pickel und einen aufgekratzten Insektenstich aus meinem Gesicht verschwinden. Dann druckt sie das Ergebnis noch einmal aus.
    „ Passt! “ , stellt sie zufrieden fest.
    Um das Plakat zu beschriften, brauchen wir noch einmal eine Stunde.
    „ Ich suche meine Schwester! Wer kennt dieses Mädchen? Bitte melden. “
    Wir schreiben unsere beiden Handynummern darunter, nur für den Fall, dass eine

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