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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Obrecht
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Nerven, sagt Oma.
    Ich grabe meine Prachttafel aus, zögere einen winzig kleinen Moment, breche dann eine Ecke ab und stecke sie in den Mund. Dann betrachte ich die verstümmelte Tafel ratlos. In diesem Zustand kann ich sie meinen Brüdern auf keinen Fall weitergeben. Aber ich habe doch diesen blöden Vertrag unterschrieben … Mein Handy klingelt. Ich verschlucke mich an der Schokolade, ringe nach Luft. Nicht auflegen! Endlich packe ich das Telefon.
    „ Ja? “
    „ Mit wem spreche ich denn? “
    Das ist keine Mädchenstimme. Es ist die Stimme einer älteren Frau. Die ist bestimmt nicht meine Schwester. Vielleicht die Kindesentführerin …?
    „ Svenja. Hier ist Svenja. “
    „ Hast du diese Zettel aufgehängt, Svenja? “
    „ Ja. Ich suche nämlich meine Schwester “ , stottere ich.
    Die Frau scheint das kein bisschen merkwürdig zu finden.
    „ Ich habe das Mädchen schon öfters gesehen “ , erklärt sie, als wäre das völlig selbstverständlich. „ In einer Eisdiele. Das wollte ich dir nur sagen. “
    Ich wusste es! Meine Zwillingsschwester isst genauso gerne Eis wie ich! Man kann seine Herkunft eben nicht leugnen.
    „ Welche Eisdiele denn? “ , krächze ich.
    „ Marinello. In der Leipziger Straße. “
    „ Wann haben Sie sie denn da zuletzt gesehen? “
    „ Ist nicht so lange her. Sie trifft sich dort mit Freundinnen. “
    Ich bedanke mich ungefähr hundertmal, so lange, bis die Frau entnervt auflegt. In meinem Kopf schwirrt alles durcheinander. Marinello! Ausgerechnet meine Lieblingseisdiele! Die Wissenschaftler haben doch recht … Zwillinge sind einfach so geboren, dass sie das Gleiche gut finden! Wenn ich einen Wissenschaftler treffe, werde ich ihm das erzählen. Ich meine: dieselbe Lieblingseisdiele! Das ist doch echt ein Ding!
    Meine Schwester gibt es wirklich. Trägt sie in der Eisdiele ihr rosarotes Rüschenkleid? Ich werde es bald, ganz bald erfahren. So eine Nachricht erträgt man nur, wenn man noch ein großes Stück Schokolade isst.

Der nächste Tag ist ein Sonntag, keine Schule also, ein vollkommen entspannter Tag, wenn nicht so viel Anspannung in der Luft läge … Meine Eltern haben schon vor gefühlten Stunden mit Tellern geklappert. Rasmus steht mitten in der Küche auf eigenen Füßen, er verzieht angestrengt das Gesicht, reckt die Arme in die Luft und wackelt hin und her wie eine junge Tanne im Wind. Es herrscht andächtige Stille, denn meine Eltern achten darauf, ihn nicht beim Üben zu stören. Dummerweise stürmen in diesem Moment Mops und Moppel zur Tür herein: Sie springen begeistert an Rasmus hoch, wohl um ihm zu gratulieren: Nun bist du endlich ein richtiger Zweibeiner!
    Plumps! Da sitzt Rasmus schon wieder auf dem Hintern. Markerschütterndes Gebrüll ist die Folge.
    „ Schmeiß die Hunde raus, Svenja “ , murmelt mein Vater, ohne von der Zeitung aufzusehen.
    Ich finde das ungerecht, weil es ja nicht die Hunde sind, die so laut brüllen. Sie haben nichts Böses getan. Aber weil man vor und beim Frühstück nicht diskutieren soll, rufe ich die beiden und öffne ihnen die Haustür, damit sie im Garten spielen können.
    Jana zieht Rasmus auf die Füße und lässt ihn wieder los, worauf er sofort wieder hinplumpst. Jule schreit Jana an. Jana schreit Jule an. Jetzt zerrt Jule an Rasmus, aber der will nicht mehr aufstehen. Mama schickt Jule und Jana aus der Küche.
    Jetzt schreit auch Robin, weil sowieso schon so viel geschrien wird. Papa verschüttet seinen Kaffee. Auf die Zeitung.
    „ Ich wollte die eigentlich auch noch lesen “ , sagt Mama spitz.
    Nur gut, dass Finn und Fabian noch nicht aufgestanden sind!
    Eben in dem Moment, als ich diesen Gedanken denke, rumpelt und scheppert es im Stockwerk über uns. Wildes Geschrei. Papa verdreht die Augen und knallt die Kaffeetasse auf den Tisch. Mama seufzt. Ich schmiere mir im Rekordtempo eine Schnitte mit Butter und Frischkäse und renne einfach aus dem Haus. Das ist eigentlich nicht vorgesehen – meine Eltern legen Wert auf geregelte und gemeinsame Mahlzeiten – aber heute ist offenbar Stress vorprogrammiert, das kann ich nicht gebrauchen. Ich muss mir in Ruhe vorstellen können, wie es sein wird, endlich meinen eigenen Zwilling mit nach Hause zu bringen.
    Hm, ich weiß natürlich nicht, ob diese Zwillingsschwester überhaupt bei uns wohnen möchte. Sie hat ja schon so eine Art Zuhause, und es könnte sein, dass es ihr dort gut gefällt. Gerade heute Morgen kann ich mir vorstellen, dass keiner freiwillig in unser Haus

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