Zwillingsblut (German Edition)
sich verabschieden konnte.
13
Edward hatte sich wieder auf seine ursprüngliche Aufgabe besonnen, sein Geschöpf aus der Ferne zu beobachten und betrachtete den Eingang der mittelmäßigen Absteige in der Rue de Clichy, in der die Vampirin abgestiegen war.
Seit zwei Tagen folgte er ihr durch die Stadt der Liebe und konnte kein Muster in ihrem Schlafrhythmus erkennen. Mal erschien sie bereits bei Einbruch der Dämmerung auf der Straße, während sie am nächsten Tag erst um 23 Uhr das Hotel verlassen hatte und dabei immer noch müde wirkte.
Er wurde aus dem Mädchen einfach nicht schlau. Bisher hatte sie sich noch nicht um Kontakt zu den Vampiren in der Stadt gekümmert, sondern hatte sich wie eine Touristin benommen. Edward schauderte bei diesem Gedanken. Es waren erstaunlich viele der alten und mächtigen Vampire in der Stadt, was nicht einzig an dem Flair Paris’ liegen konnte.
Ihn selber hatte niemand bemerkt. Er war zu alt und zu erfahren. Seine Aufgabe bestand schließlich seit Jahrhunderten darin, ungesehen zu leben, zu finden und zu richten. Selbst Hasdrubal, ein Kind des untergegangenen Karthagos, hatte Edwards Anwesenheit in der Metro nicht gespürt, während er sich an der Station »Charles de Gaulle Etoile« dicht an die Vampirin gedrängt hatte. Sie hatte nicht einmal den Kopf gehoben, um die Anwesenheit des Vampirs zu würdigen, sondern war wie eine Sterbliche mit der Herde der Touristen aus der Metro gestampft und durch den 100 000 Tonnen schweren »Arc de Triomphe« auf den »Champs Elysées« gegangen. Bis zum »Gefilde der Seligen« war Hasdrubal der jungen Vampirin gefolgt, ohne bemerkt zu werden und ohne zu spüren, dass Edward seine Reaktionen beobachtete. Er spürte die Verwunderung und die Aufregung des älteren Vampirs, doch Hasdrubal hatte sich an die Regeln gehalten und war gegangen, ohne Edwards Engel anzusprechen. Auch wenn sein Bedauern ihm deutlich im Gesicht geschrieben stand.
Ungerührt von dieser kurzen Zwischenepisode war die Vampirin über den »Place de la Concorde« gegangen, hatte die Gartenanlage »Jardin des Tuileries« besichtigt und war dann zu der »Glaspyramide« und dem »Louvre« geschlendert. Da sie die eindrucksvolle »Glaspyramide« des japanischen Architekten Pei obwohl in voller Beleuchtung nicht eindrucksvoll zu finden schien, führte sie ihr Weg rasch in den »Louvre«, den sie bis 21.44 Uhr besuchte. Genau eine Minute vor Schluss hatte sie ihn verlassen und war wieder zurückgefahren in ihr Hotel.
Edward löste sich von der Wand, an der er gelehnt hatte, als die junge Frau die Straße betrat und sah erstaunt auf seine Armbanduhr.
Wirklich früh!
Gespannt folgte er ihr in die Metrostation, doch wieder fuhr sie nicht zum Treffpunkt der Pariser Vampire, sondern nahm die Metro zur »Troca déro«.Langsam begann sich Edward über ihr Verhalten zu ärgern. Sie schien ihr Leben zu genießen und die Suche nach ihrem Schöpfer dazu zu benutzen, um sich Sehenswürdigkeiten anzusehen!
Zum Glück ersparte sie es sich – und ihm –, die 1652 Stufen bis nach oben zu steigen und beobachtete den 300 Meter hohen »Eifelturm« lediglich von unten.
Wenn sie jetzt auch noch Fotos macht, drehe ich ihr den Hals um!
, dachte Edward. Sekunden bevor die Vampirin ihre Digitalkamera zückte.
Ich fasse es nicht! Jahrelang interessiert sie sich nicht für die Schönheit der Welt und für das Leben und kaum ist sie tot erfreut sie sich an jedem Tag als wäre er ihr letzter!
Edward wandte den Blick von ihr ab.
Großer Gott! Was denke ich da gerade? Bin ich wirklich so tief gesunken?
Beschämt gestand er sich die Antwort ein, die schon lange in ihm nagte:
Ja, bin ich
.
Sein Verlangen nach ihr und der anklagend-traurige Blick, den sie ihm in London zugeworfen hatte, bevor sie ihn einfach hatte stehen gelassen, bohrten immer noch in ihm und brachten seine schlechtesten Eigenschaften zum Vorschein: Eifersucht und Besitzgier.
Er wusste, dass er das richtige tat … doch leider fühlte er es nicht. Er fühlte sich … betrogen. Als hätte man ihm etwas weggenommen, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er es haben wollte. – Bis man es ihm genommen hatte.
Und ihr Blick! Als wenn er ihr das Herz gebrochen hätte… Nie zuvor hatte er sich so miserabel gefühlt.
Wie ein Schatten folgte er dem blonden Engel zur Bootsstation. Das kleine Boot erschwerte ihm seine Verfolgung. Seine Übersichtlichkeit zwang Edward dazu, seine vampirischen Fähigkeiten zu nutzen und parallel zum
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