Zwillingsblut (German Edition)
Widerstand fesseln ließ.
»Wenn ihr jetzt die Güte hättet, uns zu folgen?!«, höhnte der Blonde.
Sofia warf ihrem Gefährten einen flehenden Blick zu. Doch kein Muskel in Edwards Gesicht zuckte, nichts gab ihr den Hinweis, auf den sie hoffte. Die Schmerzen an ihren Hand und Fußgelenken waren nahezu unerträglich, obwohl sich dieses Mal die Hitze und der Geruch nach verbranntem Fleisch in Grenzen hielten. Mehr denn je wünschte sich Sofia, sie hätte Edward nach Prag über die Geschehnisse ausgefragt, denn er schien zu wissen, wie man mit Silber umging. – O
der ist es das Blut der Königin?
31
Nach einem Marsch, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam und der doch nicht lang genug dauerte, waren sie beinahe am Ziel angelangt. Nicht einmal war eine Lücke in der Vampirfront zu finden gewesen, nicht einmal waren die Bewacher unaufmerksam geworden und nicht einmal hatte Edward versucht ihr seinen Plan mitzuteilen. Sofia wurde unruhig, obwohl es ihr inzwischen gelungen war, das Verbrennen ihrer Haut zu stoppen. Trotzdem waren die dünnen, silbernen Ketten für sie unzerreißbare Fesseln.
Die Wegweiser hatten Sofia schon den Straßennamen verraten und ihr das Ziel vor Augen geführt: Katakomben!
Die gut besuchten, unterirdischen Grabstätten Roms mit ihren stündlichen Führungen waren ein touristisches Highlight in der Stadt, die Weltgeschichte geschrieben hatte. Hier fanden die Reisenden und Suchenden das, was auch sie einmal ereilen würde: das Ende des Lebens.
Kurz vor dem Eingang zu den Katakomben des »Heiligen Calixtus« waren sie nach rechts abgebogen, hatten sich durch einen schmalen Durchgang in der schlammfarbenen Mauer gekämpft, die die Pflasterstrasse zu beiden Seiten begrenzte und durch ihre Höhe zu einer schmalen Schneise machte.
Selbst der Weg durch eine prächtige Landschaft, die als Weinanbaugebiet genutzt wurde, konnte Sofia nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass sie sich mit jedem Schritt ihrem Schicksal näherte.
Die von alten Reben überwucherte Öffnung im Boden tauchte plötzlich vor Sofia auf und schien bis in alle Ewigkeit in die Dunkelheit hinabzuführen. – Wie ein schwarzes Loch in der Realität. Sechs Vampire verschwanden darin, doch die Vampirin blieb wie angewurzelt stehen.
»Geh weiter!«, raunzte Edward.
Als sie nicht reagierte, versetzte Noctalyus Sofia einen Stoß, der sie beinahedas Gleichgewicht verlieren ließ und sie auf die oberste Treppenstufe beförderte. Langsam, durch die Fußfesseln zu kleinen Schritten gezwungen, stieg sie buckelige Stufe um buckelige Stufe nach unten, während sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnten und Sofia mit Hilfe ihrer vampirischen Fähigkeiten sehen ließen.
Gefangen – Endgültig!
, dachte sie, als sie sich – unten angekommen – unter den triumphierenden Blicken der vorangegangenen Vampire umsah. Tatsächlich war die steile Treppe ein Zugang zu einer unterirdischen Grabanlage. Die ursprünglich roten Ziegel an den Wänden waren vom Alter schwarz geworden – oder vom Staub der Jahrhunderte.
Wahrscheinlich gehört das Grundstück schon seit Jahrhunderten den Vampiren
.
Edward schloss zu Sofia auf, während die anderen Vampire die Treppe hinabschwärmten und ihre Gefangenen vor sich her trieben, immer den sechs anderen hinterher. Als sie zu der ersten Weggabelung kamen, war Sofia nicht darüber überrascht, dass auch in den Gängen, die sie nicht betreten sollten, Vampire wachten. Irgendwann nach der achten Abzweigung verlor die Vampirin den Überblick in dem labyrinthartigen Netz aus Biegungen, Verzweigungen, Steigungen und Treppen. Große Einbuchtungen von Familiengrabstätten wurden von Krypten abgelöst, die auf sechs Ebenen Löcher für Steinsärge aufwiesen. Ab und zu war eine der zugemauerten Plomben aufgebrochen und das Loch gab den Blick auf die alten Gebeine frei.
Schließlich änderte sich die Begräbnisart, weg von der liegenden Beerdigung. Die großen Öffnungen, die ebenfalls zum größten Teil noch intakt waren, zeugten davon, dass die Leichen stehend eingemauert worden waren. Der hellere Putz, der die Löcher der Gräber verschloss – die Toten von den Lebenden trennten – gaukelte Sofia Bewegungen vor und erinnerte in seiner Form vage an Menschen.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie an dem nächsten offenen Loch vorbeikam. Hier war offensichtlich, dass ein Akt der Gewalt vorlag. Der Steinsarg war aufgebrochen worden und das Skelett hing in einer Position aus den Trümmern, der auf
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