Zwillingsbrut
sie Regan vor, dann deutete sie mit dem Kinn auf den Besucher. »Und das ist Trace O’Halleran. Er glaubt zu wissen, um wen es sich bei der unbekannten Joggerin handelt.«
O’Hallerans Mundwinkel zuckten leicht. Er schüttelte Pescoli die Hand. »Ich halte es nur für einen merkwürdigen Zufall, dass eine Frau, die ich kenne, seit einigen Tagen wie vom Erdboden verschluckt ist. Sie joggt ebenfalls. Gestern habe ich einen Anruf von ihrer Freundin erhalten, die sich Sorgen um sie macht; deshalb bin ich bei ihrer Wohnung vorbeigefahren und habe nachgesehen.«
Alvarez bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen, und Pescoli hörte zu, wie O’Halleran erklärte, dass Jocelyn Wallis – eine Lehrerin der Evergreen Elementary School, die er durch seinen Sohn kennengelernt hatte – und er eine Zeitlang miteinander ausgegangen seien, ohne dass etwas Ernstes daraus entstanden wäre. Ihre Freundin, die Sekretärin der Grundschule, hatte ihn angerufen, weil sie nicht zum Unterricht erschienen war, doch er hatte ihr nicht weiterhelfen können. Jocelyn Wallis hatte ihn vor Tagen über das Handy zu erreichen versucht, doch er war nicht da gewesen und sie hatte keine Nachricht hinterlassen, deshalb habe er sich mit dem Ersatzschlüssel, dessen Aufbewahrungsort er kannte, Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft, nur um festzustellen, dass sie nicht zu Hause war. Ihre Tasche und ihr Handy waren dort gewesen, ihr Auto war wie üblich im Carport geparkt. Das Ganze war ihm merkwürdig vorgekommen, weil es so untypisch für Jocelyn Wallis war; seines Wissens hatte die Lehrerin im vergangenen Jahr keinen einzigen Tag in der Schule gefehlt.
»Dann habe ich die Morgennachrichten gesehen«, beendete er seinen Bericht. »Die Frau ist auf einem der Wege verunglückt, die auch Jocelyn immer läuft. Also bin ich zu Ihnen gekommen.«
Pescoli beobachtete ihn aufmerksam. Er wirkte ernsthaft besorgt. Er saß breitbeinig da, die Hände zwischen den Knien verschränkt, der Daumen seiner rechten Hand zuckte nervös. Ihre Familie hatte er nicht angerufen, hatte sie nicht unnötig in Aufregung versetzen wollen, doch womöglich war bereits die Schule mit Freunden und Angehörigen in Kontakt getreten.
Er betonte ausdrücklich, dass sie kein Paar gewesen waren; es hatte keine Szene gegeben, sie hatten einfach aufgehört, sich zu treffen. O’Halleran hatte die Sache beendet.
Pescoli hätte dem Rancher gern geglaubt. Er war auf diese rauhe Art und Weise attraktiv, die sie schon immer angezogen hatte; ein Mann, der daran gewöhnt war, draußen zu arbeiten, wie seine Winterbräune bewies. Sein volles Haar reichte bis auf den Kragen der Fleecejacke; seine Hände waren groß und schwielig, mehrere kleine weiße Narben waren darauf zu sehen. Ein alleinerziehender Vater, der – so hatte er zugegeben – von seiner Frau verlassen worden war. O’Halleran wirkte aufrichtig, und er war aus freien Stücken hergekommen, doch das musste nicht unbedingt etwas bedeuten.
Sie hatte schon erlebt, wie sich die frömmsten, zurückhaltendsten Männer in kaltblütige Mörder verwandelt hatten.
»Ist das Jocelyn Wallis?«, fragte Alvarez und schob ihm zwei Aufnahmen von der schwerverletzten Frau hin.
O’Halleran schnappte nach Luft. »Ich hoffe nicht«, stieß er entsetzt hervor und betrachtete die beiden Fotos. »Ich – ich weiß es nicht. Vielleicht. Mein Gott!«
»Ich habe hier ein paar Bilder von Jocelyn Wallis«, sagte Alvarez.
»Von der Website der Schule?«, vermutete Pescoli.
»Von der Kraftfahrzeugbehörde.« Sie tippte etwas ein, und auf dem Bildschirm erschien ein Führerschein, daneben ein relativ aktuelles Foto. Die Frau darauf war Anfang dreißig. Sie hatte ein strahlendes Lächeln und lange rotbraune Haare.
»Könnte hinkommen.« Pescoli sah O’Halleran an. »Irgendwelche besonderen Kennzeichen? Tätowierungen? Narben? Muttermale?«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
»Sie haben sie nicht nackt gesehen?«, fragte Pescoli. »Und sie hat auch nicht über irgendwelche Operationen oder Verletzungen aus ihrer Kindheit gesprochen? Oder über ein Tattoo?«
»So weit ist es zwischen uns nicht gekommen.«
»Sie haben nicht mit ihr geschlafen?«, hakte Pescoli nach.
Er zögerte und blickte auf seine Hände, bevor er ihren Blick erwiderte. »Einmal. Bei ihr zu Hause. Aber mir ist nichts dergleichen aufgefallen, und sie hat mir auch nichts erzählt. Aber sie hat Ohrringe getragen. Drei in einem Ohr, in dem anderen waren es zwei.«
»Das ist
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