Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Turnerinnen gehört; jetzt lief sie Marathon und trainierte das ganze Jahr über, um in Form zu bleiben. Sie hatte im letzten Jahr von Missoula ans St. Bart gewechselt, das dem in die Jahre gekommenen Pinewood Community Hospital heftige Konkurrenz machte.
    Anita entdeckte Kacey, als diese die Tür zur Intensivstation aufdrückte, und war – genau wie zuvor Rosie Alsgaard – sichtlich erleichtert. Sie saß an dem großen runden Schreibtisch, mit Vorhängen abgeteilte Kabinen ordneten sich wie die Blütenblätter einer Sonnenblume darum. »Gott sei Dank«, flüsterte sie und bekreuzigte sich rasch. Das kleine goldene Kreuz, das an einer feinen Kette über ihrer schmalen Brust baumelte, geriet in Bewegung. »Ich dachte … ich meine, ich habe mir Sorgen gemacht, dass …« Sie seufzte und deutete mit dem Kinn auf eine Frau, die in einem der »Vorhangzimmer« lag. »Ich bin einfach nur froh, dass Sie es nicht sind.«
    »Ist sie die Unbekannte?«
    »Hm, hm. Ist gestern Nacht eingeliefert worden.«
    Kacey näherte sich der Patientin.
    Ihre Muskeln spannten sich unwillkürlich an, als sie auf das geschwollene Gesicht der Frau hinabblickte. Sie sah die große Ähnlichkeit trotz der Prellungen und der vermutlich gebrochenen Nase. Hohe Wangenknochen, tiefliegende Augen, die jetzt geschlossen waren, ein herzförmiges Gesicht mit ein paar Sommersprossen, genau wie ihr eigenes. Das Haar der Patientin war von einem tiefen Kastanienbraun und fiel ihr in unbändigen Wellen auf die Schultern, genau wie Kaceys, nur dass ein Teil ihres Kopfes rasiert war, um einen an einen Ventrikelkatheter zur Ableitung überschüssiger Gehirnflüssigkeit angekoppelten Druckaufnehmer zu befestigen. Der so gemessene Hirndruck konnte auf einem Monitor abgelesen werden.
    Es sah nicht gut aus.
    Herzmonitor, Infusionsbeutel und Urinkatheter waren gerade erst angebracht worden. Die Frau lag unter einer dünnen Decke, die Beine geschient, doch Kacey wusste bereits von Rosie und Anita, dass ihrer beider Größe und Gestalt in etwa übereinstimmten.
    Sie berührte die Hand der Unbekannten.
Wer bist du?
    Ein unheimliches Gefühl beschlich sie. Ihre Nackenhaare sträubten sich.
Du bist eine unprofessionelle Närrin,
schalt sie sich.
Nur weil Rosie, die nicht gerade für ihre Zuverlässigkeit bekannt war, behauptet, sie sähe dir ähnlich, musst du noch lange nicht ausflippen.
Dennoch, als sie die komatöse Frau betrachtete, kam sie nicht umhin, sich vorzustellen, dass sie an ihrer Stelle dort läge – hilflos, ohne Bewusstsein, an der Schwelle zum Tode, während Krankenschwestern und Ärzte ihr Bestes taten, um ihr Leben zu retten.
    »Sehen Sie, was ich meine?«, fragte Anita.
    Kacey zuckte die Achseln. »Nun, womöglich besteht eine leichte Ähnlichkeit …«
    »Sie könnte Ihre Doppelgängerin sein.« Die Augen auf die Patientin gerichtet, zog Anita die Decke glatt. »Sie steht ganz schön auf der Kippe. Immer wenn wir meinen, sie stabilisiert zu haben, bricht sie uns wieder weg.« Die Intensivschwester kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Einige Symptome passen nicht zu ihren Verletzungen; Dr. Henner ist noch dabei herauszufinden, wie es innendrin aussieht. Röntgenaufnahmen, Kernspins, Computertomographie …« Sie blickte auf den Laptop, der an die Monitore angehängt war. »Da sie im Koma liegt, können wir sie nicht fragen, was passiert ist; und bislang hat sich auch noch niemand gemeldet, der sie kennt. Sie kann uns keine Auskunft über ihre Schmerzen geben oder darüber, ob sie irgendwelche Medikamente nahm oder womöglich einen Anfall hatte … so viele unbeantwortete Fragen, aber wir erwarten die Laborergebnisse heute Morgen. Dann werden wir etwas schlauer sein. Gestern Nacht waren zwei Detectives hier, die im Laufe des Vormittags noch einmal vorbeikommen wollen.«
    »Detectives?«
    »Ja, zwei Frauen, die den Unfall untersuchen.« Anita schaute auf die Uhr an der Wand, dann fügte sie mit gerunzelter Stirn hinzu: »Sie müssten bald aufkreuzen; ich hake also besser mal im Labor nach. Vielleicht wissen die mehr. Die Frau ist mit aufwendiger Joggingkleidung und Schmuck hier eingeliefert worden – sie wird also kaum bettelarm sein. Ich bin überzeugt davon, dass sie früher oder später als vermisst gemeldet wird.«
    Auch Kacey warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss los. Bitte richten Sie allen, die noch immer denken,
ich
würde in diesem Bett liegen, aus, dass ich gesund und munter bin und definitiv
nicht
die unbekannte

Weitere Kostenlose Bücher