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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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einem ganzen Tag. Samstags hatte die Poliklinik eigentlich nur bis fünfzehn Uhr geöffnet, aber das klappte nur selten, da die meisten berufstätigen Eltern ihre Arzttermine auf diesen freien Tag legen mussten.
    Glücklicherweise arbeitete Kacey nur jeden zweiten Samstag, die beiden anderen Wochenenden übernahm Martin. Sie wechselten sich auch an den Freitagen ab, so dass sie zwei aufeinanderfolgende Tage in diesen Wochen frei hatten. Genauso machte es auch der Rest der Belegschaft.
    Jetzt knurrte ihr der Magen und erinnerte sie daran, dass sie seit der Banane um sechs Uhr in der Früh nichts mehr gegessen hatte. Die drei anschließenden Tassen Kaffee hatten sie auch nicht unbedingt gestärkt. Sie griff in ihre Schreibtischschublade, in der sie ihren Vorrat an Granola-Keksen und Schokoriegeln aufbewahrte, fischte ein Snickers heraus und nahm sich selbst das Versprechen ab, am Abend einen gesunden Thunfischsalat mit tonnenweise Gemüse zu essen.
    Vielleicht.
    Lass Worten Taten folgen,
zitierte sie ihre verstorbene Großmutter Ada, als sie die Folie aufriss. Wie oft hatte sie ihren Patienten geraten, gesunde, ausgewogene Mahlzeiten zu sich zu nehmen, acht Gläser Wasser pro Tag zu trinken und nicht zu viel Zucker zu essen? »Viel zu oft«, murmelte sie, blickte auf die Patientenakten, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten, und biss genussvoll seufzend in den Schokokaramellriegel.
    Den ganzen Tag schon hatte sie sich nicht ganz wohl gefühlt, was sie einer unruhigen Nacht zugeschrieben hatte, in der sie von Eindringlingen und dunklen Pick-ups verfolgt worden war und nicht zuletzt von weitaus erfreulicheren Phantasien über Trace O’Halleran.
    Er ist der Vater eines deiner Patienten,
rief sie sich in Erinnerung,
und damit strikt tabu,
doch nachdem sie ihm gestern in der Tierklinik über den Weg gelaufen war und mit Eli und ihm Pizza gegessen hatte, fiel es ihr noch schwerer, den rauhbeinigen Rancher aus ihren Gedanken zu verdrängen.
    Sie hatte sich gerade den letzten Bissen Snickers in den Mund geschoben, als es klopfte und Nadine, die Rezeptionistin, die an den Wochenenden da war, den Kopf zur Tür hereinstreckte. »Ihr nächster Termin hat angerufen, eine neue Patientin, Mrs. Alexander. Sie kommt fünfzehn Minuten später, aber Helen Ingles ist da und fragt, ob Sie sie dazwischenschieben würden.«
    Kacey nickte.
    Nadine, eine gepflegte Frau, die auf die sechzig zuging, hatte ein energisches Kinn und schmal gezupfte Augenbrauen; sie trug nur wenig Make-up und eine lavendelfarbene Brille, ihr kurzes, fransig geschnittenes Haar umrahmte ihr Gesicht. Ihre blassen Lippen waren missbilligend verzogen.
    »Ist noch etwas?«, fragte Kacey.
    »Heute Morgen war ich als Erste da, und die verflixte Hauptsicherung war wieder herausgesprungen. Kein einziges Licht hat gebrannt!«
    Ein immer wiederkehrendes Thema. »Würden Sie bitte dem Vermieter Bescheid geben?«
    »Ich habe ihm bereits eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen und ihm eine E-Mail geschrieben«, erklärte sie pikiert. Nadine Kavenaugh hatte einst beim Militär gedient und war eine kleinliche Pedantin, die Leute nicht ausstehen konnte, die – so drückte sie es aus – »nichts auf die Reihe brachten«. Die alltägliche Routine durfte auf keinen Fall durcheinandergeraten.
    »Gut.« Kacey drehte sich auf ihrem Schreibtischstuhl herum, warf die Snickers-Folie in den Papierkorb und griff nach ihrem Arztkittel. Als sie Nadine anblickte, bemerkte sie, dass diese ihre dünnen Augenbrauen zusammengezogen hatte. Offenbar durfte es auch keine Unregelmäßigkeiten in Kaceys Terminplan geben.
    »Ich schicke Mrs. Ingles in Behandlungsraum zwei«, sagte sie in leicht schnippischem Ton, »und Mrs. Alexander, sollte sie irgendwann eintreffen, in Raum eins.«
    »Ich komme, sobald Randy die Vitalwerte gemessen hat.«
    Nadine schnaubte und schloss die Bürotür. Durch das dünne Türblatt hörte Kacey, wie sie energischen Schrittes in die Rezeption zurückkehrte.
    Sie zog ihren Arztkittel über, vergewisserte sich, dass sie ihr Stethoskop eingesteckt hatte, dann warf sie einen letzten Blick auf den Monitor, um ihre E-Mail-Eingänge zu prüfen. Sie hatte gehofft, dass die von ihr angeforderten Geburtenregister eingetroffen wären, wenngleich sie wusste, dass keine staatliche Behörde während des verlängerten Thanksgiving-Wochenendes arbeitete.
Du darfst das Pferd nicht von hinten aufzäumen, Fräulein,
hatte sie ihr Großvater stets gewarnt, und wie erwartet

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