Zwillingsbrut
Kopf schrillten.
Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht,
dachte sie und begann mit der Untersuchung. Sie hörte die Lungen der Frau ab, die ihr erzählte, dass ihr Husten trotz verschiedener Antibiotika in den letzten drei Monaten nicht abgeklungen sei, und machte zwei Abstriche. »Sie waren in Coeur d’Alene in ärztlicher Behandlung?«
Elle nannte ihr den Namen des Mediziners, dann wühlte sie in ihrer Handtasche und reichte Kacey die Karte eines Arztes einer Poliklinik in Idaho. »Ich habe ihn aufgesucht, kurz bevor wir hierhergezogen sind«, erklärte sie.
»Haben Sie Ihre Lunge röntgen lassen?«
Elle schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Dann lassen Sie uns damit anfangen und Streptokokken und eine Lungenentzündung ausschließen.«
»Eine Lungenentzündung? Ach du liebe Güte …« Sie wirkte erschrocken. »Ich meine, ich hatte noch nie im Leben eine Lungenentzündung! Ein-, zweimal eine Bronchitis, aber …«
»Warten wir ab, was die Röntgenbilder sagen. Unser Labor ist samstags nicht geöffnet, aber ich werde für Montag eine entsprechende Überweisung ausstellen. Die Bilder werden mir zugeschickt. Die Abstriche gehen ebenfalls ins Labor, wo sie auf Streptokokken untersucht werden.« An den MTA gewandt, sagte sie: »Bitte setzen Sie sich mit der Röntgenabteilung in Verbindung.« Sie steckte die beiden Abstriche in verschiedene Plastikbeutel. Während Elle ihr Kleid zurechtzog und Randys Augen am Bildschirm hafteten, ließ sie heimlich einen davon in ihre Kitteltasche gleiten. »Das hier muss zum Streptokokkentest«, sagte sie zu dem MTA und legte ihm den anderen Plastikbeutel auf die Ablage neben dem Computer.
Ohne aufzublicken tippte Randy die nötigen Anweisungen ein. »Alles klar!«
»Gut.« Kacey drehte sich wieder zu Elle um, während der junge Mann den Beutel nahm und das Behandlungszimmer verließ. »Ich rufe Sie an, sobald ich mir die Bilder und die Laborergebnisse angesehen habe. Bis dahin verordne ich Ihnen ein stärkeres Antibiotikum. Das sollte die Dinge etwas vorantreiben.« Sie schrieb ein Rezept aus und bat Elle, in der nächsten Woche wiederzukommen. »Sie können sich an der Rezeption einen Termin geben lassen.«
»Das werde ich«, versprach die Frau.
Obwohl ihr der Beutel in der Kitteltasche brannte, fragte Kacey: »Sind Sie in Coeur d’Alene aufgewachsen?«
»In Boise. Warum?«
»Nur so.« Kacey zuckte die Achseln, als wäre sie bloß neugierig, doch ihre Gedanken rasten.
Du überreagierst wirklich. So sehr ähnelt sie dir gar nicht. Zumindest nicht so sehr wie die Schauspielerin und Jocelyn Wallis.
»Ich habe mein ganzes Leben in Idaho verbracht«, erzählte Elle. »Dort bin ich geboren und groß geworden. Deswegen ist mir der Umzug auch so schwergefallen. Aber Tom – das ist mein Mann – hat einen Job hier angenommen und uns alle entwurzelt. Die Kinder hatten sich gerade in der Schule eingelebt, da mussten wir fort.« Ihre Augen verdunkelten sich. »Es liegt an der Wirtschaft. Selbst Anwälte sind davon betroffen.«
»Ich bin sicher, Sie werden hier bald Freunde finden, und die Schulen sind ausgezeichnet.«
»Das hoffe ich. Mein Sohn hat keine Probleme, sich einzufügen, aber meine Tochter … Für sie ist es schwieriger. Sie ist dreizehn, versucht gerade herauszufinden, wer sie eigentlich ist, und ja, das ist schwer.« Sie seufzte.
»Grizzly Falls ist eine wirklich angenehme Stadt.«
»Ich hoffe, Sie haben recht.« Sie wirkte nicht überzeugt.
»Geben Sie sich etwas Zeit.«
»Mir bleibt vermutlich ohnehin keine Wahl.« Sie griff nach ihrem Mantel, und Kacey verabschiedete sich von Elle Alexander, ihrer letzten Patientin für heute, dann eilte sie in ihr Büro. Sie wartete, bis die Behandlungszimmer aufgeräumt und gereinigt und Nadine und Randy nach Hause gegangen waren. Als sie sicher war, dass alle die Klinik verlassen hatten, zog sie den Plastikbeutel mit dem Abstrich aus ihrer Kitteltasche. Ihr ganzes Leben schon war sie fasziniert gewesen von Verschwörungstheorien, was immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt hatte, zunächst mit ihrer Mutter, dann mit ihrem Ex-Mann. JC hatte sie für verrückt erklärt, doch sie war noch immer – zumindest halb – davon überzeugt, dass hinter der Ermordung John F. Kennedys kein Einzeltäter steckte, dass Prinzessin Diana von ihren Feinden oder einem Mitglied der königlichen Familie umgebracht wurde und dass Kurt Cobain keineswegs Selbstmord begangen hat.
Egal, was ihr Ex-Mann dazu sagte.
Du machst aus
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