Zwillingsbrut
ordentlich die Hörner abgestoßen, doch damit war es in dem Augenblick vorbei gewesen, in dem Eli in sein Leben getreten war. Stets wurde behauptet, dass Kinder alles veränderten, aber er hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Bis er selbst Vater geworden war.
Jetzt bückte er sich, um seinen Jungen von der Couch zu heben. Eli blinzelte nicht mal, als Trace ihn die alte Treppe zu seinem Kinderzimmer im oberen Stockwerk hinauftrug.
Das Zimmer war ein Saustall. Überall lagen Spielzeug und Bücher verstreut, zwischendrin Klamotten, das Bett war ungemacht. Durchs Fenster fiel das trübe grauweiße Licht einer frostigen Schneenacht auf die zerknitterte Bettdecke.
Vorsichtig legte Trace Eli aufs Bett und zog die Decke über ihn. Der Junge seufzte im Schlaf und rollte sich auf die Seite.
Sein Sohn.
Trace presste die Kiefer zusammen bei dem Gedanken an all die Geheimnisse, die er vor Eli verbarg. Eines Tages würde er reinen Tisch machen müssen, so viel war klar. Es war Elis Recht zu erfahren, dass Trace nicht sein leiblicher Vater war. Doch sobald der Junge das wüsste, kämen weitere Fragen, und die wären so schwierig zu beantworten wie die neulich, als Eli sich weinend nach dem Verbleib seiner Mutter erkundigt und von Trace verlangt hatte, sie ausfindig zu machen.
Und genau das war Trace nicht möglich. Er würde Elis Fragen nicht beantworten können.
Leanna hatte die Identität von Elis Vater nie preisgegeben. Trace hatte vermutet, dass sie ihn nur flüchtig gekannt und einfach nicht aufgepasst hatte. Ihre eigene Beziehung hatte als glühende Romanze in einer Bar begonnen; sie hatten beide zu viel getrunken, und am Ende war Leanna schwanger gewesen. Trace hatte daraufhin das Richtige getan: Er hatte Leanna geheiratet und Eli adoptiert. Irgendwann hatte er sich damit auseinandersetzen müssen, dass sie entweder eine Fehlgeburt oder aber gelogen hatte, denn es gab keinerlei Anzeichen mehr dafür, dass sie tatsächlich schwanger war.
Nicht dass das von Bedeutung gewesen wäre. Die Auseinandersetzungen zwischen ihnen hatten bereits begonnen, es hagelte bei jeder Gelegenheit Vorwürfe, und eines Nachts war sie einfach verschwunden. Er war in einem leeren Bett aufgewacht. Ihr Wagen war weg, ebenso ihre Kleidung, ihr Handy, der Laptop und ihre Toilettensachen.
Ihr Sohn war das Einzige, was sie dagelassen hatte.
Was ihm mehr als recht war.
Er warf einen Blick auf den schlafenden Eli und konnte sich nicht vorstellen, ein Kind mehr zu lieben als ihn. Er verstand nicht, warum sie gegangen war, doch als die Scheidungspapiere eintrafen und sie ihm das komplette Sorgerecht für ihren Sohn übertrug, hatte er schnell und ohne zu zögern unterschrieben.
Sie hatten ein paarmal miteinander telefoniert, und sie war ab und an vorbeigekommen, doch das war mit den Jahren immer weniger geworden. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal mit Leanna gesprochen hatte. Als Eli vor sechs Monaten versucht hatte, sie anzurufen, war der Anschluss abgemeldet gewesen.
Du musst sie ausfindig machen. Es steht ihm zu, seine Mutter zu kennen, ganz egal, was für ein herzloses Miststück sie ist. – Aber woher willst du wissen, dass sie nicht tot ist? Wie Shelly Bonaventure. Wie Jocelyn Wallis?
Trace beschloss, morgen früh ein paar Anrufe wegen Leanna zu tätigen. Erst letzten Monat hatte er mehrere alte Nummern auf einem Zettel in der Schreibtischschublade gefunden, als er nach einem neuen Scheckheft gesucht hatte. Eine Nummer hatte die Vorwahl von Phoenix – war nicht eine ihrer Freundinnen dorthin gezogen? –, eine andere war irgendwo aus Washington, doch damit konnte er nichts anfangen.
Seine Gedanken kehrten zu Acacia »Kacey« Lambert zurück, und er ermahnte sich, es für heute Nacht gut sein zu lassen. Es würde schon nichts Schlimmes dahinterstecken. Manchmal passierten eben merkwürdige Dinge. Er zog sein Hemd aus, Jeans und Socken und ließ sich aufs Bett fallen. Dann schloss er die Augen und stieß einen langen Seufzer aus.
Vor seinem inneren Auge erschien Kacey Lamberts Gesicht, und Trace stellte verärgert fest, was für ein unbelehrbarer Dummkopf er doch war.
Alvarez rief von ihrem Handy aus bei Jonas Hayes vom LAPD an und hinterließ ihm eine Nachricht auf der Mailbox. Obwohl sie nicht davon ausging, dass der Detective am Samstagmorgen nach Thanksgiving arbeitete, so nahm sie doch an, dass er seine Mailbox abhören und sie – hoffentlich bald – zurückrufen würde. Zwar wollte sie
Weitere Kostenlose Bücher