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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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war noch keine Antwort gekommen. Vielleicht machte sie ohnehin unnötig die Pferde scheu – um bei den Pferderedensarten von Großvater Alfred zu bleiben. Nur weil zwei Frauen, die ihr ähnlich sahen, gestorben waren und ihre Mutter sich beim Thema »Familie« ein wenig seltsam verhielt, musste sie doch nicht ausflippen.
    Sie schloss ihren E-Mail-Account und eilte den kurzen Gang zu den Behandlungszimmern entlang. Helen Ingles beklagte sich, dass sie die ganze Zeit über müde sei. »Diese verfluchte Müdigkeit bringt mich noch um«, sagte sie und versicherte gleichzeitig, dass sie jeden Morgen gewissenhaft ihre Glukosewerte überprüfe, sich entsprechend ernähre und ihre Übungen mache. »Vielleicht liegt es ja auch daran, dass meine Tochter mit ihrer Achtjährigen bei mir eingezogen ist. Sie lässt sich von ihrem Mann scheiden und hat keine Arbeit.« Helens Blick verfinsterte sich.
    »Erzählen Sie mir davon«, bat Kacey und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, der älteren Frau zuzuhören. Es stellte sich schnell heraus, dass die Sorge um ihre Tochter genauso zu Helens Problem beitrug wie ihr Diabetes. Kacey riet ihr, in der nächsten Woche einen neuen Labortest machen zu lassen, und schlug vor, eine Familientherapeutin aufzusuchen.
    »Etwa eine Psychologin?«, fragte Helen entsetzt. »Ich bin doch nicht verrückt!«
    »Sie haben einen Einschnitt in ihre Lebensgewohnheiten erfahren. Das ist immer schwierig. Hier, nehmen Sie die Karte und machen Sie einen Termin aus – wenn Sie möchten.« Als sie sah, wie ihre Patientin zögerte, fügte sie hinzu: »Was schadet es schon?«
    »Es schadet meinem Stolz, denke ich. Ich bin stets davon ausgegangen, sämtliche Probleme allein in den Griff zu bekommen.«
    »Manchmal brauchen wir alle jemanden, der uns zuhört.«
    Damit verabschiedete sich Kacey von Helen Ingles, die ernsthaft über ihre Worte nachzudenken schien, und ging weiter zu Behandlungsraum eins. Sie nahm die Akte ihres nächsten Patienten aus einem Korb an der Tür und überflog die Daten. Elle Alexander war fünfunddreißig, hatte rund zehn Kilo Übergewicht und litt unter einem hartnäckigen Husten, der sie nachts wach hielt. Ihr bisher behandelnder Arzt war in Coeur d’Alene, Idaho, ansässig.
    Noch immer lesend, klopfte sie an und trat ein. »Mrs. Alexander? Ich bin Dr. Lambert.«
    Die Patientin saß mit baumelnden Füßen auf dem Untersuchungstisch. Sie hatte kurzes rotes Haar und rosige Wangen, und sie lächelte breit.
    Beinahe wäre Kacey das Herz stehengeblieben, denn auch diese Frau sah ihr auffallend ähnlich.
Noch eine?,
dachte sie ungläubig.
    »Hi«, grüßte Elle.
    Kacey versuchte sich einzureden, dass sie sich bloß etwas einbildete, dass sie sich von Heather oder Rosie Alsgaard, der Schwester aus der Notaufnahme, hatte anstecken lassen, doch der Blick von Randy Yates, der eben mit dem Blutdruckmessen fertig war, sagte alles.
    »Sind Sie miteinander verwandt?«, erkundigte sich der medizinisch-technische Assistent. Elle blickte die Ärztin an und lachte.
    »Nein, nein, keineswegs«, wehrte sie ab, »ich habe lediglich eines dieser Allerweltsgesichter – ständig erinnere ich andere Leute an irgendwen.« Sie zuckte die Schultern und grinste. »Sei’s drum. Obwohl wir beide uns nicht wirklich ähnlich sehen. Wir haben doch eine ganz andere Statur!«
    Das stimmte. Kacey war gut sieben Zentimeter größer und fünfzehn Kilo leichter, doch die Struktur von Elles Gesicht, ihre schrägen Wangenknochen, das ausgeprägte Kinn, die Form der Augen waren genau wie die von Kacey. Elles Haare waren heller und röter – vielleicht waren sie gefärbt –, und ihre Augen waren mehr blau als grün, aber trotzdem … Außerdem war sie ungefähr im richtigen Alter.
    Wofür?
    »Langsam glaube ich, ich könnte einen Doppelgängerinnen-Club gründen«, fuhr sie fort. »Seit ich in dieser Stadt bin, habe ich schon mehrere Leute getroffen, die so aussehen wie ich.«
    »Ist das wahr?«, hakte Kacey vorsichtig nach.
    »Ja, sicher, denken Sie nur an die arme Lehrerin, die verunglückt ist! Eine meiner Fitnesstrainerinnen sieht auch so aus. Ihr Name ist … wie war er noch gleich? … Gloria, glaube ich. Sie müssen wissen, ich habe gerade erst beim Fit Forever angefangen, deshalb bin ich mir nicht sicher. Und jetzt begegne ich Ihnen!«
    Während Randy seine Untersuchungsergebnisse in Elle Alexanders Akte auf seinem Laptop eintippte, gab sich Kacey alle Mühe, die Alarmglocken zu ignorieren, die in ihrem

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