Zwischen den Sternen
schicken, das er für sie geschrieben hatte. Dann sagte er ihr, dass er sie liebte, und hörte, wie sie ihm dasselbe sagte. Dann schickte er ihr das Gedicht und nahm im Kreis seiner Familie am Esstisch Platz. Als Alarm gegeben wurde, begab sich die Familie Gugino - der Vater Bruno, die Mutter Natalie, die Töchter Maria und Katherina und der Sohn Enzo - gemeinsam in den Luftschutzbunker, den Bruno und Enzo erst eine Woche zuvor fertiggestellt hatten. Dort kauerten sie sich aneinander, hielten sich gegenseitig und warteten, bis der Angriff vorbei war.
Am Tag, als Enzo starb, wusste er, dass er geliebt wurde. Er wusste, dass seine Eltern ihn liebten, die, wie jeder wusste,
nie aufgehört hatten sich zu lieben, bis zum Augenblick ihres Todes. Ihre Liebe zueinander wurde zu ihrer Liebe zu ihm und zu ihren Töchtern. Er wusste auch, dass seine Schwestern ihn liebten, um die er sich gekümmert hatte, als sie noch klein gewesen waren. Er wusste, dass sein bester Freund ihn liebte, den er immer wieder vor Schwierigkeiten bewahrt hatte und mit dem er immer wieder in Schwierigkeiten geraten war. Und er wusste, dass er von Zoë geliebt wurde - von mir. Er wusste es, weil wir uns gegenseitig unsere Liebe gestanden hatten.
Enzos Leben war voller Liebe gewesen, vom Augenblick seiner Geburt bis zum Moment, in dem er gestorben war. Viele Menschen mussten ohne Liebe leben, obwohl sie sich danach sehnten und darauf hofften. Ihr Bedürfnis nach Liebe war größer als alles andere. Ihnen fehlte die Liebe, wenn sie nicht mehr da war. So etwas musste Enzo nie erleiden. Er hätte es niemals erleiden müssen.
Er wusste nur, dass sein ganzes Leben voller Liebe gewesen war.
Ich konnte mir nur vorstellen, dass es genug Liebe gewesen war.
Ich verbrachte den Tag mit Gretchen und Magdy und allen Freunden von Enzo. Es waren sehr viele, die weinten und lachten und sich an ihn erinnerten. Doch irgendwann ertrug ich es nicht mehr, weil alle mich immer mehr wie Enzos Witwe behandelten, und obwohl ich mich in gewisser Weise tatsächlich so fühlte, wollte ich nicht, dass jemand es mitbekam. Dieses Gefühl gehörte nur mir allein, und ich wollte
es wenigstens eine Weile für mich allein haben. Gretchen bemerkte, dass ich nicht mehr konnte, und brachte mich in ihr Zimmer. Sie sagte, ich sollte mich etwas ausruhen, und sie würde später noch einmal nach mir sehen. Dann umarmte sie mich, küsste mich auf die Schläfe und sagte mir, dass sie mich liebte, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Dann lag ich in Gretchens Bett und versuchte an nichts zu denken, was mir recht gut gelang, bis mir Enzos Gedicht wieder einfiel, das in meiner Mailbox auf mich wartete.
Gretchen hatte meinen PDA auf ihren Schreibtisch gelegt. Ich holte ihn und setzte mich wieder auf das Bett. Dann rief ich meine Nachrichten auf und sah die Mail von Enzo. Ich wollte auf das Display drücken, um sie zu öffnen, doch dann wählte ich stattdessen das Hauptverzeichnis. Ich suchte die Datei mit dem Titel »Enzo - Völkerball« und spielte die Szenen ab, in denen Enzo unbeholfen auf dem Spielfeld herumrannte, den Ball gegen den Kopf bekam und wie eine Comicfigur zu Boden ging. Die Aufnahmen schaute ich mir immer wieder an, bis ich so heftig lachte, dass ich kaum noch etwas sehen konnte. Ich musste den PDA für eine Weile weglegen und mich ganz auf die simple Tätigkeit des Ein- und Ausatmens konzentrieren.
Als ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, widmete ich mich erneut dem PDA, rief den Posteingang auf und öffnete die letzte Mail von Enzo.
Liebe Zoë!
Hier ist es. Vorläufig musst du dir die fuchtelnden Arme dazudenken. Aber die Live-Performance folgt demnächst! Das
heißt, nachdem wir den Kuchen gegessen haben. Hmmm … Kuchen!
GEHÖREN
Du sagtest, ich gehöre zu dir,
Und dem stimme ich zu,
Doch die Qualität dieses Gehörens
Ist eine Frage von Bedeutung.
Ich gehöre dir nicht
Wie etwas Gekauftes,
Bestellt und bezahlt,
Frei Haus geliefert,
Um aufgestellt und vorgeführt zu werden,
Vor Freunden und Bewunderern.
So will ich dir nicht gehören,
Und ich weiß, so willst du mich nicht haben.
Ich werde dir sagen, wie ich dir gehöre.
Ich gehöre dir wie ein Ring an deinem Finger,
Ein Symbol für etwas Ewiges.
Ich gehöre dir, wie ein Herz in eine Brust gehört,
Das im Gleichtakt mit einem anderen Herzen schlägt.
Ich gehöre dir wie ein Wort in der Luft,
Das meine Liebe an dein Ohr trägt.
Ich gehöre dir wie ein Kuss auf deinen Lippen,
Den ich dir
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