Zwischen den Sternen
jeden Fall gibt es für dich einen Fluchtweg. Für den Rest von uns gibt es keinen.«
Ich starrte Gretchen an. »Das ist äußerst unfair. Ich werde nirgendwohin flüchten, Gretchen.«
»Was soll das?«, sagte Gretchen. »Ich bin doch nicht böse auf dich, weil es für dich einen Fluchtweg gibt. Ich bin nur neidisch . Ich habe bisher einen einzigen Angriff miterlebt. Nur eine einzige Rakete kam durch, und obwohl sie nicht mal richtig explodiert ist, hat sie gewaltigen Schaden angerichtet und jemanden getötet, der mir sehr viel bedeutet hat. Wenn sie einen richtigen Angriff gegen uns starten, haben wir nicht die geringste Chance.«
»Vergiss nicht deine Ausbildung«, sagte ich.
»Trotzdem glaube ich nicht, dass ich den Kampf gegen eine Rakete aufnehmen könnte«, sagte Gretchen verärgert. »Gut, wenn jemand meint, hier einen Landetrupp absetzen zu müssen, hätte ich vielleicht eine gewisse Chance, mich eine Zeit lang zur Wehr zu setzen. Aber glaubst du wirklich, jemand würde sich solche Umstände machen, nachdem wir diese Konklavenflotte vom Himmel gefegt haben? Sie werden uns einfach aus dem Orbit bombardieren und uns den Rest geben. Das hast du selber gesagt. Und du bist die Einzige, die eine Chance hat, rechtzeitig von hier zu entkommen.«
»Ich habe dir gesagt, dass ich nirgendwohin gehe.«
»Mein Gott, Zoë! Ich liebe dich, wirklich, aber ich kann nicht glauben, dass du so blöd bist. Wenn du die Chance hast,
dich aus dem Staub zu machen, dann nutze sie. Ich will nicht, dass du stirbst. Deine Eltern wollen es auch nicht. Die Obin würden sich zu dir durchboxen, notfalls gegen uns alle, um dir das Leben zu retten. Ich finde, du solltest ein solches Angebot nicht ausschlagen.«
»Du verstehst nicht, Gretchen«, sagte ich. »So etwas ist mir schon einmal passiert. Ich war schon einmal die einzige Überlebende. Und dieses eine Mal reicht mir für mein ganzes Leben. Ich werde nirgendwohin gehen.«
»Hickory und Dickory möchten, dass du Roanoke verlässt«, sagte Vater zu mir, nachdem er sich per PDA mit mir verabredet hatte. Die beiden Obin standen neben ihm in unserem Wohnzimmer. Offenbar hatten sie bis eben so etwas wie Verhandlungsgespräche geführt. Und offenbar war es dabei um mich gegangen. An Vaters entspanntem Tonfall erkannte ich, dass er den Obin anscheinend irgendetwas demonstrieren wollte, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich wusste, was es war.
»Kommen Mutter und du mit?«, fragte ich.
»Nein.«
Damit hatte ich gerechnet. Was auch immer mit der Kolonie geschah, John und Jane würden bis zum bitteren Ende die Fahne hochhalten, auch wenn es bedeutete, dass sie gemeinsam mit allen anderen in den Tod gingen. Sie konnten gar nicht anders, weil sie sich dazu als Leiter der Kolonie, als ehemalige Soldaten und als Menschen verpflichtet fühlten.
»Dann vergiss es.« Bei diesen Worten sah ich Hickory und Dickory an.
Vater drehte sich zu Hickory um. »Hab’s Ihnen doch gesagt.«
»Sie haben ihr nicht gesagt, dass sie fortgehen soll«, erwiderte Hickory.
»Geh, Zoë«, sagte Vater - mit so viel Sarkasmus, dass es nicht einmal den beiden Obin entgehen konnte.
Meine Erwiderung zeichnete sich durch noch weniger Höflichkeit aus, vor allem, als ich mich dann an Hickory und Dickory wandte, um ihnen kundzutun, was ich von der Vorstellung hielt, ich wäre etwas Besonderes für die Obin. Denn diese ganze Sache ging mir gewaltig auf die Nerven. »Wenn ihr mich beschützen wollt«, sagte ich zu Hickory, »beschützt gefälligst auch die Leute, die mir etwas bedeuten. Beschützt diese Kolonie.«
»Das können wir nicht«, entgegnete Hickory. »Das wurde uns verboten.«
»Dann habt ihr ein Problem«, sagte ich. »Denn ich werde nirgendwohin gehen. Und daran werdet ihr beiden nichts ändern können.« Dann legte ich einen dramatischen Abgang hin, teils weil ich mir dachte, dass mein Vater genau das von mir erwartete, teils weil ich alles zu dem Thema gesagt hatte, was ich dazu hatte sagen wollen.
Ich ging in mein Zimmer und wartete, dass Vater mich zurückrief. Denn das, was er mit den beiden Obin besprochen hatte, war noch nicht erledigt gewesen, als ich aus dem Wohnzimmer gestapft war. Und wie gesagt, war es dabei ganz offensichtlich um mich gegangen.
Es dauerte etwa zehn Minuten, bis Vater mich zurückrief. Ich ging wieder ins Wohnzimmer hinunter. Hickory und Dickory waren nicht mehr da.
»Setz dich bitte, Zoë«, sagte Vater. »Ich möchte, dass du etwas für mich tust.«
»Muss ich dazu
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