Zwischen den Sternen
vielleicht fünfzehn. Ungefähr.«
»Zeig uns, woher ihr gekommen seid«, sagte ich, und Albert wies in die Richtung. Ich nickte. »Steh auf. Dickory wird Michel und dich zum Waldrand bringen. Von dort aus kommt ihr allein weiter.«
»Mit diesem Ding gehe ich nirgendwohin«, meldete sich erstmals auch Michel zu Wort.
»Okay, dann habt ihr zwei Möglichkeiten«, sagte ich. »Bleibt hier und hofft, dass wir zurückkommen, bevor diese Wesen euch finden, oder hofft, dass ihr es aus eigener Kraft bis zum Waldrand schafft, bevor sie euch einholen. Oder ihr lasst euch von Dickory helfen, was eure Überlebenschancen erheblich verbessern würde. Ihr habt die freie Wahl.« Ich sagte es etwas nachdrücklicher, als nötig gewesen wäre, aber es ärgerte mich, dass diese Idioten keine Hilfe annehmen wollten.
»Na gut«, brummte er.
»Wunderbar«, sagte ich. Dann sammelte ich ihre Gewehre ein, gab sie Dickory und nahm mir seins. »Bring sie zum Waldrand. Gib ihnen die Gewehre erst zurück, wenn ihr dort angekommen seid. Dann lauf hierher zurück und versuch wieder zu uns zu stoßen.«
Dickory nickte, scheuchte Albert und Michel auf und machte sich mit ihnen auf den Weg.
»Die beiden habe ich noch nie gemocht«, sagte Gretchen, nachdem sie verschwunden waren.
»Ich verstehe, warum«, sagte ich und gab Dickorys Gewehr an Hickory weiter. »Kommt jetzt. Die Zeit drängt.«
Wir hörten sie, bevor wir sie sahen. Um genau zu sein, hörte Hickory sie zuerst, weil sein Gehör viel empfindlicher als das
eines Menschen ist. Es war ein Trillern, Zirpen und Schnalzen. »Sie singen wirklich«, sagte Hickory leise und führte Gretchen und mich näher heran. Dann traf Dickory lautlos ein, kurz bevor wir auf sie stießen. Hickory gab ihm sein Gewehr zurück.
Auf der kleinen Lichtung hielten sich sechs Gestalten auf.
Enzo und Magdy waren die ersten, die ich erkannte. Sie knieten am Boden, hatten die Köpfe gesenkt und schienen auf das zu warten, was als Nächstes mit ihnen geschehen würde. Das Licht war zu schlecht, um ihren Gesichtsausdruck erkennen zu können, aber mir war auch so klar, dass sie Angst hatten. Was auch immer bereits geschehen war, es war gewaltig schiefgelaufen, und jetzt warteten sie nur noch ab, dass es ein Ende fand - wie auch immer dieses Ende aussehen mochte.
Ich musterte Enzos kniende Gestalt und erinnerte mich schlagartig daran, warum ich ihn liebte. Er war hier, weil er sich bemühte, ein guter Freund für Magdy zu sein. Weil er versuchte, ihn vor Schwierigkeiten zu bewahren oder ihm zumindest in Schwierigkeiten zur Seite zu stehen. Er war ein anständiger Kerl, was sowieso recht selten vorkommt, aber bei einem Jugendlichen fast ein überirdisches Wunder darstellt. Ich hatte mich in Gefahr begeben, weil ich ihn immer noch liebte. Es war Wochen her, seit wir mehr als ein schlichtes »Hallo« in der Schule ausgetauscht hatten. Wenn man sich in einem so kleinen Dorf voneinander trennte, musste man sich schon sehr weit aus dem Weg gehen. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Ich fühlte mich immer noch mit ihm verbunden. Ein Teil von ihm war in meinem Herzen zurückgeblieben, und ich stellte mir vor, dass sich mein ganzes Leben lang nichts daran ändern würde.
Ja, es war ein denkbar unpassender Moment, um all das zu erkennen, aber solche Dinge geschahen dann, wenn sie geschahen. Außerdem machte es keinen Lärm, so dass kein Grund zur Sorge bestand.
Ich blickte zu Magdy hinüber, und mein erster Gedanke lautete: Wenn wir das alles überstanden haben, werde ich ihm einen kräftigen Arschtritt verpassen .
Und die vier anderen Gestalten …
Werwölfe.
Anders ließen sie sich kaum beschreiben. Sie wirkten gefährlich, kräftig, albtraumhaft und zum Töten bereit. Gleichzeitig ließen ihre Bewegungen und Laute keinen Zweifel daran, dass sie außerdem über leistungsfähige Gehirne verfügten. Sie hatten die vier Augen, die wir bisher bei allen tierischen Lebensformen von Roanoke beobachtet hatten, aber ansonsten schienen sie direkt der menschlichen Mythenwelt entsprungen zu sein. Es waren Werwölfe.
Drei von ihnen waren damit beschäftigt, Magdy und Enzo zu verspotten und mit Speeren nach ihnen zu stechen. Ganz offensichtlich spielten sie mit ihnen und wollten ihnen Angst einjagen. Einer hatte Magdy das Gewehr abgenommen und stieß damit gegen ihn. Ich fragte mich, ob es noch geladen war und was mit Magdy oder dem Werwolf geschah, wenn es losging. Ein anderer piesackte Enzo mit einem Speer. Die Werwölfe
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