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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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denken, an die spießigen Vorhänge. Ein tristes Zuhause. Da also lebte Alex. Sein Zimmer war bestimmt unaufgeräumt. Die Wände mit einem Mosaik aus Postern beklebt, die Kleidung unordentlich aufgehäuft. Kein Spiegel. Nur eine kleine Lampe und ein kleines Fenster. So stellte sie es sich vor. Sie sah sich in ihrem Zimmer. Die riesigen Fenster mit den automatischen Rollläden. Das Parkett, ohne ein einziges Staubkorn, weil Mama zweimal die Woche putzte – und aufräumte. Ihr Leben hatte einfach eine Ordnung, die seines nicht hatte. Sie erinnerte sich wieder daran, was Marie über seinen Vater erzählt hatte, sein Leben war komplett anders. Außerdem hatte Alex diese ganz besondere Fähigkeit, Probleme und Ärger anzuziehen. Und sie hatte das Gefühl, dass er alles durcheinanderbrachte. Es war wie ein verwirrender Strudel, in den sie sich stürzte und dem sie besser schnell entkam, wenn sie nicht alles verlieren wollte – ihren Ruf, ihre Freunde und alles, was gestern noch ihr Leben bestimmt hatte. Besser sie vergaß ihn schnell.
    Warum war sie nicht mit Marie in der Stadt shoppen oder hatte sich mit Dennis zum Tennisspielen verabredet? So war es doch vor ein paar Tagen noch gewesen. Und war es denn schlecht gewesen? Vielleicht konnten sie sich ja doch wieder vertragen. Immerhin waren sie zwei Jahre zusammen gewesen. Stattdessen wartete sie jetzt hier auf diesen komischen Typ. Einen Versager. Alexander. Der Niemand, der an einem Abend ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Wahrscheinlich war er einfach besoffen gewesen. Wie Dennis. Alex würde nicht kommen. Einfach zu Hause bleiben und seine Spaghetti essen – die bis nach draußen mitleiderregend mies gerochen hatten.
    Wäre Dennis hierhergekommen? Er hätte sich wahrscheinlich ein Taxi genommen. Wenn überhaupt. Er war nicht der Typ, mit dem man sich an Bahngleisen traf. Eine Frage mehr? Warum hatte sie diesen verdammt asozialen Treffpunkt ausgewählt, um Alex zu begegnen?
    Sie schaute sich die trostlose Gegend an. Ein Film, irgendeinen Film hatte sie im Kopf gehabt. Titel unbekannt. Aber romantisch. Sie schloss die Augen und ertappte sich bei dem Gedanken, wie sie mit Alex genau hier saß und seine Hand nahm. Schnell riss sie die Augen wieder auf und ließ ihren Blick über die rostigen Gleise und einen verlassenen Waggon schweifen. Staub unter ihr. Staub überall. Verlassen saß sie da.
    Das Leben ist kein Film.
    Sie richtete sich auf, klopfte sich den Staub von der Jeans und dem Pullover, der ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Warum hatte sie überhaupt diesen viel zu großen Pulli angezogen? Früher hatte sie sich doch nie so gehen lassen. Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Unruhig ging sie auf und ab, als hätte sie die Orientierung verloren. Am besten wäre, sie ginge nach Hause. So schnell wie möglich nach Hause.
    Handyklingeln.
    Das konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen. Zögerlich holte sie das vibrierende iPhone aus der Schultasche hervor. Ganz plötzlich kam in ihr die Hoffnung auf, dass es Dennis war, der sich für alles entschuldigen und sie dann so schnell wie möglich von diesem schrecklichen Ort abholen würde. Doch es war Mama . Sie schaute auf das Display, als plötzlich Schritte zu hören waren und ein Schatten vor ihr auf dem Boden auftauchte. Lisa schaute auf. Da stand er. Alex. Ohne nachzudenken, legte sie ihren Daumen auf den roten Hörer. Das Handy war still und ihr Herz klopfte.
    »Hi.« Mehr sagte Alex nicht.
    »Du bist gekommen«, stellte sie fest. Auch wenn die Verwirrung sie schon wieder gepackt hatte, nahm sie alle Vernunft zusammen. »Ich … ich glaube, das war nicht richtig. Ich … du hast recht. Es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.« Sie ging zügig an Alex vorbei, der wie angewurzelt stehen blieb.
    »Dafür hast du mich hierherbestellt?«, fragte er enttäuscht, ohne sich nach ihr umzudrehen.
    Sie blieb auf dem Schotterweg stehen und strich sich nervös durch die Haare. »Es … es tut mir leid. Aber ich wollte mich nur entschuldigen. Entschuldigen, wollte ich mich«, stammelte sie. »Ich wollte nicht, dass er dich schlägt.« Sie verabschiedete sich mit zitternder Hand. »Also bis dann«, flüsterte sie, auch wenn sie es laut hatte sagen wollen, und wich seinem Blick aus.
    Was hatte sie hier noch verloren? Ihre Beine wollten ihr nicht folgen. Eine Entschuldigung musste genügen. Mehr hatte sie wirklich nicht sagen wollen. Oder? Sie wusste es selbst nicht.
    Ein bitteres Lächeln. Er folgte ihr und schaute sie

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