Zwischen dir und mir
es.«
»Und wie küsst er?«
»Hab nicht gesagt, dass ich ihn geküsst habe.« Aber Jenny wurde knallrot. »Soll ich’s dir zeigen?«, fragte sie mit einem Augenzwinkern.
Dann, Frage für Frage, kamen sie sich näher, bis sie nichts mehr sagten. Jennifers Lippen zogen sie an. Wie elektrisiert war sie. So weich fühlte es sich an. Ganz vorsichtig legte Jenny ihre Hand auf ihre Wange, strich langsam hinab bis zu ihrem Hals. Ihre Lippen öffneten sich, öffneten Lisas ganz von alleine und ihre Zunge berührte ihre sanft. Ein leichtes Kribbeln breitete sich von ihrem Nacken aus, alles andere war ihr plötzlich so egal, Lisa wollte nur spüren, wie weit sich dieses Gefühl noch würde steigern lassen. Ihre Beine verschränkten sich. Ihr Atem wurde schwerer. Jennifers Hand hatte ihre Brust erreicht, strich immer tiefer. Ein kalter Schauer lief ihr über die Haut. Was tat sie da? Lisa zuckte zusammen, rollte sich zur Seite und holte Luft.
Sie schüttelte den Kopf. »Scheiße … was?«
»Ich … ich wollte nicht.«
Jennys Augen waren wunderschön, so unschuldig, dass sie sie am liebsten noch einmal geküsst hätte. Es war so einfach gewesen. Aber genauso unvernünftig, wurde ihr jetzt klar.
»Du sagst es niemandem, oder?« Jennys Stimme, ein Hauch.
»Nein«, flüsterte Lisa. »Du doch auch nicht?«
»Nein, versprochen. Ich glaub, ich wollte es nur einmal ausprobieren.«
Lisa atmete auf. Sie hatte schon gefürchtet, es müsse mehr bedeutet haben. »Bleibt unser kleines Geheimnis, okay?« Sie grinste, die Hitze stieg ihr in die Wangen.
»Klar«, entgegnete Jenny, und Lisa wusste plötzlich, dass sie endlich wieder jemandem vertrauen konnte. Als sie die Tür hinter Jenny schloss, war sie nicht mehr einsam.
12
Dienstags in der fünften und sechsten Stunde hatte die 10a Sportunterricht bei Herrn Kohn. An diesem Mittwoch spielten sie Badminton. Lisa bildete mit Greta, Annika und Marie ein Team. Ihre ehemaligen Freundinnen nahmen sie nur sehr widerwillig als Ersatz für Jenny auf. Die war heute krank, sodass Lisa wieder alleine war. Aber was hätte es schon geholfen? Der Kuss war ein Vertrauensbeweis gewesen. Aber sie konnte nicht von Jenny erwarten, dass sie sich in der Schule gegen die anderen Mädchen stellte. Diese Auseinandersetzung wollte sie Jenny ersparen.
Jeder Schlag, der Lisa misslang, wurde mit spöttischen Blicken kommentiert, wie jeder gute Schlag als pure Überheblichkeit und Arroganz ausgelegt zu werden schien. In der großen Turnhalle wuchs jedes kleine Geräusch zu einem dumpfen Echo. Das Quietschen der Sohlen auf dem grauen Linoleum, die Pfeife des Lehrers und die Gesprächsfetzen, die um sie herumwaberten. Lisa nahm jeden Laut und jedes Wort überdeutlich wahr. So ging es nun seit Tagen. Und kaum schaute sie einmal kurz zu Alex hinüber, hatte sie den nächsten Ball verpasst. Also riss sie sich zusammen und rief sich immer wieder Jennys Rat ins Bewusstsein. Es sollte ihr egal sein, was die anderen dachten, und das musste sie Alex so sagen. Sie hatte einfach noch nicht alles versucht. Würde sie jetzt aufgeben, hätte sie ihn nicht verdient. Dann wäre sie wirklich das verwöhnte Mädchen, das nie zu ihm passen würde. Die, die das Sichere wollte, das immer Gleiche, in seiner falschen Perfektion – diese Ordnung, die sie nur noch hasste, seit die Fassade eingestürzt war. In einer der Fensterscheiben traf sie ihren eigenen Blick. Dieses Mädchen würde sie nicht mehr sein. Schon wieder verfehlte sie einen Ball und hörte Greta etwas flüstern. Ein schriller Pfiff erlöste sie. Endlich war die Stunde vorüber.
Lisa zögerte, ehe sie den Weg zur Umkleidekabine antrat. Sie ließ sich Zeit – tat so, als müsse sie ihre offenen Schnürsenkel wieder knoten.
»Das nächste Mal nach den Ferien bitte Laufschuhe mitbringen, wir werden draußen ein paar Runden drehen. Die Mädchen 1500, die Jungs 2000 Meter.« Wer würde daran schon denken? Auch Lisa hörte ihrem Lehrer nicht zu, denn in Gedanken war sie schon wieder beim nächsten Problem. Sollte sie hier duschen oder zu Hause? Keine leichte Entscheidung. Hatte sie früher mit ihren Freundinnen gemeinsam ohne jede Scham geduscht, so war sie vor zwei Wochen von Marie, dann auch Annika und Greta seltsam beäugt worden.
»Muss sie sich immer so präsentieren? So geil ist sie ja jetzt auch nicht.«
Sie redeten so laut, dass jeder es hören konnte – ganz als wäre Lisa gar nicht da.
»Meint wahrscheinlich immer noch, dass alle Jungs auf sie
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