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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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vielleicht auch bemerkt haben«, seufzte Lisa.
    »Ich find das echt fies. Ich meine, du hast denen nichts getan.«
    Jennys Mitleid brachte sie etwas in Verlegenheit. »Danke, aber lass nur. Vielleicht vertragen wir uns ja irgendwann wieder.«
    »Willst du das?« fragte sie nach.
    Die Frage ließ Lisa stutzen, denn sie hatte sie sich bisher selbst nicht gestellt.
    »Ich weiß nicht. Wir haben uns oft gestritten und wieder vertragen. Früher haben wir das auch immer geschafft. Aber vielleicht verzeiht man mit der Zeit nicht mehr so leicht.« Sie bemühte sich um ein Lächeln.
    Jenny schien nachzudenken. Schließlich hob sie ihre Augenbrauen. »Weißt du was?«, meinte sie strahlend. »Ich komm heute zu dir. Dann spielst du etwas Klavier und ich hör dir zu. Du kannst toll spielen.«
    »Oh, du hast mich doch noch gar nicht spielen hören«, wurde Lisa rot. Das Kompliment berührte sie trotzdem.
    »Ich saß letztes Mal, als du auf dem Schulkonzert gespielt hast, in der letzten Reihe. Ich wollte nicht verraten, dass ich da bin. Nicht dass du dann nervös geworden wärst.« Sie flüsterte diesen Satz, als wäre es immer noch ein Geheimnis.
    Sie hatte wieder einen Funken Freude in Lisa geweckt. »Wann hast du Lust?«
    »Wann passt es dir?«
    »Du kannst gleich zum Essen mitkommen.«
    »Ich hab Jenny zum Essen mitgebracht«, kündigte Lisa ihren Gast schon in der Haustür an und gab ihrer Mutter im Vorbeigehen flüchtig einen Kuss auf die Wange.
    »Komm rein, Jenny! Wie geht es dir?«, begrüßte ihre Mutter Jenny, ohne eine Antwort abzuwarten. »Zieht die Schuhe bitte aus. Die Putzfrau war heute da«, bat sie, während sie schon in der Küche verschwand.
    Während sie ihre Chucks abstreifte, schweifte Jennys Blick über das glänzende Parkett, auf dem man, wie Lisa nur zu gut wusste, vergebens nach einem Makel würde suchen müssen. Dann betrachtete sie eingehend die abstrakten, großflächigen Kunstwerke an der hohen weißen Wand, die sich bis in den zweiten Stock erstreckte.
    »Dort ist mein Zimmer«, deutete Lisa nach oben, die das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen.
    »Ein schönes Haus«, sagte Jenny nur. »Es ist so …« Ihre Augen entdeckten das Glasdach über dem Treppenhaus und weiteten sich bei dem Anblick. »… groß!«
    Lisa errötete etwas und war erleichtert, als ihre Mutter zum Essen rief.
    Das Essen verlief nicht anders als sonst. Nur dass Lisas Mutter ihre Fragen diesmal häufiger an Jenny richtete, was nicht weniger unangenehm war.
    »Was macht dein Vater?«
    »Er ist Koch in einem kleinen Restaurant. Ich wohne nur mit ihm alleine, seit Mama weg ist«, erzählte sie ganz selbstbewusst und legte ihr Besteck dabei ab.
    »Oh!« Lisas Mutter schaute das Mädchen eine Weile prüfend an. »Was ist passiert?« Ihr Interesse wirkte aufgesetzt.
    »Sie hat Depressionen, seit ich sechs bin. Ich besuche sie manchmal in Bad Friedrichsburg. Sie ist dort in Behandlung.«
    »Das tut mir leid«, bedauerte sie, doch Lisa kannte diesen Blick ihrer Mutter. Sie konnte einfach kein Mitgefühl zeigen, selbst wenn sie sich bemühte.
    Schon bereute Lisa, dass sie Jenny mit nach Hause gebracht hatte. Ihre Freundin schien jedoch trotz der Fragen nicht unglücklich mit der Situation zu sein und schenkte Lisa ein Strahlen.
    »Du weißt, dass du noch Klavier üben musst. Herr Greiner hat gemeint, du seist unkonzentriert gewesen«, meldete sich ihre Mutter wieder zu Wort.
    Lisa lächelte trocken. »Ja, mach ich. Jenny hat nichts dagegen, mir zuzuhören.«
    »Meinst du, dass dich das nicht ablenkt?«
    Lisa schluckte die letzte Makkaroni herunter und ließ die Frage unbeantwortet.
    Jenny saß schweigend vor ihrem leeren Teller, bis sie irgendwann die Stille unterbrach. »Das war sehr lecker, Frau Jahnke.«
    »Danke schön. Magst du noch etwas?«
    »Nein, danke.«
    Lisa wollte bloß weg hier. Wie konnte eine Mutter nur so verdammt peinlich sein? Kurz entschlossen räusperte sie sich. »Wir gehen dann mal hoch.«
    Sie nahm ihren Teller und stand auf. Jenny verabschiedete sich noch mit einem Lächeln, bevor sie ihrer Freundin zur Spüle folgte, um das schmutzige Geschirr abzustellen.
    »Ja, geht nur«, seufzte Lisas Mutter, als die Mädchen bereits die Treppe hinaufhasteten.
    Lisa zog die Tür hinter sich zu und sah, dass Jenny auch ihr Zimmer sofort in Augenschein nahm. Nie war Lisa bei ihrer Freundin zu Hause gewesen. Die wohnte mit ihrem Vater in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Inständig hoffte Lisa, dass sie Jenny nicht in

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