Zwischen Ehre und Verlangen
seine Mutter ihn zu sich gebeten hat. Und er hat eine Schwester in Miss Postes Alter namens Elizabeth.”
“Habe ich ihn in Holkham Hall kennen gelernt?”
“Flüchtig”, antwortete Amanda. “Er hat mich mit seinen Freunden zum Haus gebracht, und wir sind dir begegnet, als du es mit Lady Grahame verlassen hast.”
“Ja, ich erinnere mich”, murmelte Jane. “Ist er verheiratet?”
“Er hat nichts Dergleichen erwähnt.”
“Magst du ihn?”
“Ich finde ihn sehr sympathisch”, gestand Amanda. “Aber komm nicht auf falsche Gedanken. Er und ich sind uns bisher nur zweimal begegnet, und er macht mir nicht den Hof. Ganz abgesehen davon, bin ich nicht auf der Suche nach einem Verehrer.”
“Wie schade”, äußerte Jane halblaut.
Amanda kehrte animiert von der Ausfahrt mit Lord Oughton zurück und berichtete, der Ausflug habe ihr so viel Spaß gemacht, dass sie gern bereit gewesen war, den Viscount am nächsten Tag wiederzusehen.
Jane versicherte ihr, auf sie müsse sie keine Rücksicht nehmen, da sie nicht über einen Mangel an Beschäftigung zu klagen habe. Ihrer Meinung nach warb Seine Lordschaft doch um Amanda, und daher wollte sie ihr so viel Gelegenheit wie möglich geben, mit ihm zusammen zu sein. Sie hoffte, dass Amanda sich in seiner Gesellschaft gut amüsierte und so schneller den Kummer über die Trennung von Lord Severn verwand.
Lord Oughton holte Amanda zur verabredeten Zeit ab, half ihr in seine Karriole und lenkte das Gespann zum Hyde Park.
“Ich hoffe, es stört Sie nicht, Madam, dass wir uns ein weiteres Mal dorthin begeben”, sagte er höflich. “Ich habe meiner Mutter versprochen, Sie zum Tee mitzubringen. Würden wir woandershin fahren, hätten wir nicht genügend Zeit.”
“Wie reizend von Ihrer Mutter, mich zu sich zu bitten”, erwiderte Amanda überrascht. “Natürlich habe ich nichts dagegen, erneut in den Hyde Park zu fahren.” Es verwunderte sie, dass Ihre Ladyschaft sie eingeladen hatte, und plötzlich kam ihr der Gedanke, der Viscount könne, abgesehen davon, dass er offenkundig ihre Gesellschaft genoss, doch ein Faible für sie haben. Andererseits hatte er bislang durch nichts zu erkennen gegeben, dass er ein persönliches Interesse an ihr nahm. Sie beschloss jedoch, wachsam zu sein.
Kaum befand man sich im Park, äußerte er lächelnd: “Würden Sie gern die Zügel übernehmen, Madam? Wie ich von Jared hörte, verstehen Sie es, selbst zu kutschieren.”
“Oh ja, ich wäre entzückt”, antwortete sie begeistert. “Es reizt mich sehr, Ihre rassigen Grauschimmel zu lenken.”
“Gut!”, willigte James ein und überließ ihr Zügel und Peitsche. “Ich habe volles Vertrauen in Ihre von Jared so gepriesenen Fahrkünste”, setzte er schmunzelnd hinzu.
“Oh, hat er sich anerkennend über sie geäußert?” fragte Amanda und trieb die Pferde an.
“Ja”, bestätigte James. “Er war des Lobes voll für Sie und hat hinzugefügt, er würde Sie gern ein Vierergespann lenken sehen.”
Amanda freute sich über dieses große Kompliment.
“Und jetzt bekommt er diesen Wunsch erfüllt”, sagte James fröhlich.
Unwillkürlich zuckte Amanda zusammen, weil sie im gleichen Moment Jared auf die Karriole zureiten sah. Zu ihrer größten Verwunderung saß er auf Mr. Breams Hengst. Erneut war sie von seinem guten Sitz und der Routine beeindruckt, mit der er das temperamentvolle Tier bändigte. Plötzlich empfand sie erneut Sehnsucht nach ihm und hatte Mühe, sich die Erregung nicht anmerken zu lassen. Da es Befremden erregt hätte, wenn sie weitergefahren wäre, ließ sie das Gespann auslaufen und hielt an.
Jared brachte den Rotfuchs neben dem Wagen zum Stehen, zog den Zylinder und begrüßte die Insassen der Karriole.
“Wo hast du dieses stattliche Pferd erstanden?” erkundigte sich James neugierig und betrachtete es bewundernd.
“In Holt”, antwortete Jared und schaute lächelnd Amanda an. “Ich hatte schon lange mit dem Erwerb des Hengstes geliebäugelt, und schließlich ist es mir gelungen, Mr. Bream zum Verkauf zu bewegen. Er ist ein ausgezeichnetes Springpferd. Natürlich ist er in London fehl am Platz, aber ich habe auch nicht vor, ihn ausschließlich hier zu reiten. Wie ich sehe, Madam, hat mein Freund Ihnen gestattet, sein Gespann zu lenken”, fügte er schmunzelnd an.
“Ja, und mir scheint, diese Ehre habe ich Ihnen zu verdanken”, erwiderte sie gelassen.
“Mir?” Verdutzt schaute er erst sie, dann James an.
“Nun, Ihr Freund hat erwähnt, Sie
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