Zwischen Ehre und Verlangen
und Miss Porter zu Ihrem Quartier zu bringen”, erwiderte James nachdrücklich. “Ich werde dich später aufsuchen, Jared”, wandte er sich dann an den Freund. Nachdem man sich verabschiedet hatte, reichte er Mrs. Clare den Arm und setzte mit ihr und ihrer Gesellschafterin den Weg fort.
“Miss Porter ist tatsächlich so hübsch, wie Sie sie in Holkham Hall beschrieben haben”, äußerte Amanda beiläufig. “Kein Wunder, dass ihr Freund sich in sie verliebt hat.”
“Sehr zu meinem Unwillen!”, erwiderte James ehrlich.
Verblüfft schaute Amanda ihn an. “Warum sind Sie gegen diese Verbindung?” wunderte sie sich.
“Sie haben zu Recht bemerkt, dass Miss Poste noch viel zu jung ist”, antwortete er freimütig. “Meine Schwester Elizabeth und sie sind gleichaltrig, aber Miss Poste kommt mir manchmal sehr altklug vor, und auch zu leichtsinnig. Miss Poste lässt sich in einer Weise hofieren, die ich höchst unpassend finde. Ich würde sofort einschreiten, wenn Elizabeth sich derart auffällig und eingebildet aufführte.”
“Ich stimme Ihnen in der Beurteilung von Miss Poste zu”, sagte Amanda offenherzig. “Sie kommt mir reichlich blasiert vor. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, dass sie überhaupt noch nicht weiß, was sie will, abgesehen davon, Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein.”
“Wie wahr!”, stimmte James zu. “Und deshalb sehe ich mit großem Unbehagen, dass mein Freund Jared ihr so viel Beachtung schenkt.”
“Haben Sie Zweifel daran, dass er ehrliche Absichten hat?” fragte Amanda überrascht.
“Nein, keineswegs!”, versicherte James rasch. “Aber es ist nicht seine Art, sich mit so blutjungen Mädchen abzugeben. Im Allgemeinen zieht er …, nun, das gehört nicht hierher.”
“Ich nehme an, Sie wollten sagen, dass er normalerweise reifere Frauen bevorzugt, nicht wahr?”
James nickte.
“Vielleicht hat er sich entschlossen, Familienvater zu werden, und möchte nun doch lieber eine junge Gattin haben”, vermutete Amanda und hielt vor dem Haupteingang des “Clarendon” an.
“Das entzieht sich meiner Kenntnis”, erwiderte James. “Würden Sie mir gestatten, Sie morgen zu einer Ausfahrt abzuholen?”
“Es wäre mir ein Vergnügen”, sagte Amanda lächelnd.
“Gut, dann bin ich um halb drei Uhr in der Halle”, versprach er und verabschiedete sich von den Damen.
Gedankenverloren begab Amanda sich mit Jane ins Vestibül, stolz darauf, dass sie die unerwartete Begegnung mit Jared so gut gehandhabt hatte, auch wenn alles, was sie für ihn empfand, wieder aufgebrochen war. Ihre Liebe zu ihm war seit seiner plötzlichen Abreise nicht geringer geworden, und daher hatte die Begegnung mit Miss Poste sie zutiefst aufgewühlt. Sie begriff nicht, was ihm an dem Mädchen gefiel, und schüttelte im Stillen über seine Menschenkenntnis den Kopf.
Schweigend betraten Jane und sie ihre Räume, entledigten sich im Ankleidezimmer ihrer Handschuhe, Hüte und Mäntel und begaben sich dann in den kleinen Salon.
“Ich habe das unerwartete Zusammentreffen mit Miss Poste mit dem größten Interesse verfolgt, Amanda”, sagte Jane, während sie sich in einen Fauteuil setzte, und schaute ernst die Freundin an.
“Wie soll ich das verstehen?” fragte Amanda und nahm ebenfalls Platz.
“Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es nichts an deinen Gefühlen für Lord Severn geändert hat.”
“Nein”, gestand Amanda.
“Du liebst ihn”, stellte Jane fest.
“Ja”, bestätigte Amanda leise.
“Glaubst du, dass er mit Miss Poste glücklich wird?”
“Darüber maße ich mir kein Urteil an”, antwortete Amanda bedrückt. “Aber mir tut der Mann leid, der sie heiratet. Ich kann verstehen, dass ihre Verehrer von ihr hingerissen sind, denn sie ist wirklich sehr schön. Aber sie ist eine Blenderin, die ihre Schwächen gut zu verhehlen weiß. Insofern erstaunt es nicht, dass ihre Bewunderer nicht merken, wie oberflächlich und selbstsüchtig sie ist. Da du hinter mir und Lord Oughton hergegangen bist, konntest du nicht hören, dass ihm eine mögliche Verbindung zwischen Jared und ihr großes Unbehagen bereitet. Er vertritt wie ich den Standpunkt, dass sie leichtsinnig und selbstgefällig ist.”
“Er scheint ein Faible für dich zu haben”, äußerte Jane lächelnd. “Erst hat er dich herbegleitet und dir dann auch noch in sehr persönlicher Weise seine Ansichten über Miss Poste anvertraut. Was hat er dir sonst noch erzählt?”
“Er ist hier, weil
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