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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Studenten dort sind nicht zu beneiden. Ich schüttele mich.
    »Du hattest Visionen von dem Unfall, nicht wahr? Tut mir leid.« Nikis Stimme klingt schuldbewusst.
    »Du kannst ja nichts dafür.«
    »Doch, irgendwie schon. Ich kann die Kraft dieser ›Seelen‹ nämlich auch bündeln. Zur Verteidigung. So wie sie mich benutzen. Brauche dafür allerdings ein Stück von den Toten«, erklärt Niki.
    So weit, so unappetitlich.
    »Einige Tote können Menschen auch besetzen, auch damit hattest du recht.« Niki fährt sich durchs Haar. »Ganz toll, wirklich«, murmelt er mehr zu sich selbst als zu mir. Er verzieht das Gesicht. »Aber nur kurz, sagt Tom: Das sollte dann wohl tröstlich sein. Und nur, wenn man vorher Kontakt zu ihnen hatte. Tom bezeichnet sie als ›geisterhafte Seelen‹. Dieses Besetzen ist für die Seelen allerdings gefährlich: Machen sie das zu oft oder zu lange, kann es leicht passieren, dass sie zu Geistern werden.«
    »Also doch Geister«, sage ich.
    »Ja.« Wieder fährt sich Niki nervös durch seine Locken. »Geister gibt es auch. Das sind die Seelen, die länger an die Lebenden gebunden bleiben und sozusagen ein ›Eigenleben‹ führen. Sie entwickeln je nach Dauer ihres Aufenthaltes verschiedene Fähigkeiten, können sehr wohl etwas anfassen. Ihre Visionen sind plastischer, und sie können viel besser Besitz von Menschen ergreifen. Aber es strengt sie an. Sie können Körper nicht ewig besetzt halten.« Niki sieht mich rasch an, schlägt dann die Augen nieder. Ich habe kurz das Gefühl, als würde er mir etwas verheimlichen, doch dann spricht er weiter. »Je ›älter‹ ein Geist ist, je länger er bei den Lebenden bleibt, desto machtvoller wird er. Und desto schwerer wird es für ihn, diese Welt zu verlassen.«
    Tja, hätte er sich vorher überlegen sollen. »Und an Erik klebt ein … nun, ein echter, ausgewachsener Geist?«
    Niki nickt. »Und wie. Und der ist, und nun zitiere ich wieder wörtlich,
böse
. Er hat Tom einen Heidenschreck eingejagt. Wir sollen uns von Erik fernhalten. Und frag mich jetzt nicht, wie böse: Ich kann nur wiedergeben, was Tom gesagt hat.« Eine Weile ist nur das Geräusch der Autos in unserer Nähe zu hören, jemand hupt. »Und übrigens: Du bist eingeladen. Zu Toms Beerdigung. Er will ein bisschen angeben vor seiner Motorradclique, glaube ich. Ich hab’ schon gesagt, dass du nicht so heiß darauf bist …«
    »Das habe ich mitgekriegt. Nein, nein, ich komme. Natürlich komme ich.«
    »Gut.« Wir sind beide ein wenig ratlos.
    »Also fernhalten.« Ich räuspere mich. »Das dürfte mir nicht schwerfallen, da ich Erik sowieso nur selten sehe.« 
    Mit den Fingerspitzen schiebt Niki den Aschenbecher so weit in Richtung Tischkante, dass er beinah runterfällt. Was wir gehört haben, scheint ihm weit mehr auszumachen als mir, aber das ist ja auch kein Wunder: Ich wäre auch nicht entzückt darüber, wenn ich erfahren müsste, dass Geister meinen Körper für einen Spaziergang ausborgen können, ohne mir vorher Bescheid zu geben.
    »Sie können nicht weg«, murmelt Niki so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann.
    Ich muss mich beherrschen, um nicht zu lachen. Geister oder Seelen oder geisterhafte Seelen schmeißen mit Büchern, besetzen Menschen so wie Erik und Niki macht sich Sorgen um sie?
    »Nicht weg«, wiederholt Niki, und der Ton seiner Stimme lässt mir das Lachen im Hals stecken bleiben.
    Mit einem Mal habe ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Etwas Wichtiges. Etwas, das Niki gesagt hat. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich komme nicht darauf, was es sein könnte.

15 . Kapitel
    N iki hat darauf bestanden, mich nach Hause zu bringen, und ich war ehrlich dankbar dafür. Irgendwie ist mir nicht mehr nach Ausflügen, bei denen ich entweder Justin zu sehen glaube, dann Erik treffe und zum Schluss immer auf einen Geist stoße. Justin, Erik, Geist. Dauernd klingelt da etwas bei mir, aber ich kriege es einfach nicht zu fassen, und das macht mich noch verrückt.
    Zu Hause nehme ich ein luxuriöses Bad neben dem Wäscheständer. Und brauche ein wenig, um es zu genießen, nachdem mir eingefallen ist, wie viele Horrorfilme im Badezimmer spielen. Aber meist lauert »es« doch hinter dem Duschvorhang, den man wegziehen muss, und so etwas besitzen wir nicht. Gott sei Dank.
    Es passiert nicht viel bis zum Wochenende, außer, dass ich schlecht schlafe und träume. Kunststück. Wer einmal dieses Ding im verunglückten Auto gesehen hat, weiß auch, warum.
    Die

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