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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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du hast stocksteif dagestanden. Dann habe ich zwei Sätze mit diesem Bruder von Anni gesprochen und dich mehr oder weniger weggeschleift. Und das war’s.«
    »Nein«, entgegne ich, »das war es eben nicht. Du hast meine Hand genommen, beziehungsweise ich deine. Vorher. Und da fingen sie an. Die Visionen.«
    Niki schüttelt den Kopf. »Aber da habe ich schon nicht mehr mit Tom gesprochen, ehrlich nicht: Sonst hätte ich dich nicht angefasst. Da passe ich schon auf.« Und noch eindringlicher: »Ich war das nicht!«
    Ich betrachte ihn zweifelnd. »Kannst du diesen Tom nicht fragen, was genau er damit meint? Böse für wen? Ist Erik selbst böse oder ist etwas Böses an ihm dran?«
    Niki hat einen Stift von seinem Schreibtisch genommen, malt Kreise auf die Unterlage, während er sich konzentriert. »Tja«, sagt er und sein Körper strafft sich. »Eben das kann ich nicht mehr tun.«
    »Und warum nicht?«
    »Kaum hat Tom diesen Erik erspäht, hat er gesagt, er sei böse. Und dann ist er abgehauen. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich nie wieder was von ihm zu hören kriege.«
    Es wird eine Weile lang still.
    Dann stelle ich das Glas weg, das ich noch immer in Händen gehalten habe wie einen Pokal, und stehe auf. Gehe zu Niki hinüber, der zu mir hochsieht. Strecke meine Hand aus, ganz vorsichtig, und berühre ihn mit den Fingerspitzen an der Schulter.
    »O Julia!« Niki schließt die Augen und schüttelt verzweifelt den Kopf.
    »Du hast ja auch nicht gesehen, was ich gesehen habe.« Ich lege ihm meine ganze Hand auf die Schulter. Nichts passiert. Aber da ist ja auch seine Kleidung, die mich schützt. Ich nehme meine Hand und lege sie vorsichtig an seine Wange.
    Niki schlägt die Augen wieder auf. Pures Blau.
    Mit dem Daumen streiche ich über den Ring an seiner Lippe. »Tut das weh?«
    Niki schluckt. »Nur, wenn du mich nicht berührst.«
    Ich setze mich auf seinen Schoß, nehme sein Gesicht in beide Hände und küsse ihn. Kein Geist passt jetzt noch zwischen uns.
     
    Ich will nur hier sein, bei Niki. Nackt und atemlos und mit rotem Gesicht, leicht vor Liebe. Eingegraben unter dieser Bettdecke, unter diesen Kissen und darauf wartend, dass die Welt endet.
    »Wow. Da müssen wir vielleicht lange warten.« Niki lacht.
    Ich beuge mich über ihn und versuche, seine Lippen genau da zu küssen, wo sein Piercingring sitzt. Meine Haare kitzeln ihn. Er umfasst meine Hüften. Ich lege mich auf ihn und wir verkürzen die Wartezeit, heftig, bis es klopft und wir einen Ausruf hören und eine gestammelte Entschuldigung auf Griechisch. Die Tür fällt zu.
    Ich richte mich schweratmend auf.
    Niki stützt sich auf seine Unterarme. Atmet mindestens so schnell wie ich. Küsst mich. Dann schiebt er mich zur Seite und angelt nach seiner Hose.
    »Das war doch … das war doch nicht etwa dein Vater?« Ich liege seitlich aufgestützt, ziehe mir die Bettdecke bis zum Hals hoch. Als wenn das noch etwas nützen würde!
    Niki schlüpft in seine Jeans, zwinkert mir zu. »Ich fürchte doch.« Er steht auf, um sie zuzuknöpfen.
    »O nein.« Ich lasse mich auf sein Bett zurücksinken und warte darauf, dass der Boden sich auftut. Was er nicht macht, natürlich. Das wäre ja auch zu schön gewesen.
    Niki zieht sich sein T-Shirt an. »Ich gehe mal nachgucken, ob er einen Herzinfarkt hat und ich Erste Hilfe leisten muss.«
    »Er einen Herzinfarkt?
Er
? Und was ist mit mir?«
    Niki beugt sich über mich, küsst mich noch einmal. »Du siehst ungeheuer lebendig aus. Vor allem nackt.«
    »Sehr witzig. Und bring ein Seil mit«, rufe ich ihm nach. »Damit ich mich erhängen kann. Oder wenigstens aus dem Fenster abseilen!« Nie und nimmer kann ich Herrn Galanis noch einmal unter die Augen treten. Zumindest nicht in diesem Leben. Ich stöhne und ziehe mir das Kissen über den Kopf. Überlege, was genau er gesehen haben könnte. Und wünsche, wir hätten wenigstens die Bettdecke … Nein, Schluss damit. Bloß nicht daran denken. Ich schiebe das Kissen weg, um besser atmen zu können – und starre direkt in zwei bernsteinfarbene Augen. Um Sekundenbruchteile später aufrecht und mit dem Rücken an der Wand zu sitzen.
    Es ist natürlich Sherlock, der mich anstarrt. Niki hat vergessen die Tür zu schließen.
    »Ah, Sherlock. Dein Herrchen ist unten. Your master. Downstairs.« Dieser Hund kann gar kein Englisch, da bin ich mir inzwischen sicher. Der ist einfach nur begriffsstutzig. »Kusch, kusch.« Und internationale Zeichensprache beherrscht er auch

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