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Zwischen Ewig und Jetzt

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Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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nicht.
    Ich wickele mir die Decke um und steige am äußersten Ende aus dem Bett. Bernsteinfarbene Augen folgen jeder meiner Bewegungen. Sherlock hechelt, während ich meine Sachen zusammensuche und auch die meisten finde. Ein Socken fehlt, auf dem sitzt der Hund. Gut, den kann er meinetwegen haben. Ohne das Tier aus den Augen zu lassen, ziehe ich mich an. Binde mir die Haare zusammen. Versuche, unschuldig und würdevoll auszusehen. Nicht leicht, wenn einem ein Strumpf fehlt. Dann gehe ich die Treppe runter. In meinem Magen zieht es, mir ist übel. Und mein Gesicht ist immer noch feuerrot, das kann ich fühlen.
    Herr Galanis und Niki sind in der Küche. Ich höre sie reden, verstehe aber nichts: Nikis Vater spricht griechisch. Und zwar sehr schnell. Ob er sich aufregt?
    »O babás, bitte. Müssen wir das jetzt besprechen?«
    Eine Gewehrsalve Griechisch.
    »Nein, nicht davon«, antwortet Niki.
    Wieder eine Erwiderung, die ich nicht verstehe.
    Es ist zum Verrücktwerden. Die Geister höre ich nicht und vom dem, was Nikis Vater sagt, kapiere ich auch kein Wort. Teller klappern. Ich stehe am Fuß der Treppe und traue mich nicht weiter.
    »Das mag sie nicht.«
    Griechische Erwiderung.
    »Ja, da bin ich mir sicher.«
    Was mag ich nicht? Rausgeworfen zu werden? Ohne Strumpf aus dem Haus gejagt?
    »Nein, mehr geht nicht. Den Rest hole ich später, wenn’s sein muss.«
    Antwort auf Griechisch.
    »Babás!«
    Dann kommt Niki um die Ecke und zwar so schnell, dass ich mich fast zu Tode erschrecke. Er sich allerdings auch. Er balanciert einen vollbeladenen Teller in der einen und eine Flasche Wasser in der anderen Hand. Mit Müh und Not kann er den Teller im Gleichgewicht halten. Dann grinst er mich an, hält Teller und Flasche hoch und sagt: »Ich hoffe, du hast Hunger.«
     
    Essen sei die Antwort der Griechen auf alles, erklärt mir Niki später. Krisen, Kriege … Auch darauf, seinen Sohn und dessen Freundin im Bett erwischt zu haben.
    Ich bin erleichtert. Und wie. Essen kann ich. Dazu hat auch noch Sherlock meinen Socken rausgerückt, als er stattdessen einem Zipfel Wurst nachgejagt ist.
    Aber es ist schon spät, und wir wollten noch mit Tom sprechen. Der sich nicht so einfach rauslocken lässt. Weder mit Wurst, noch mit guten Worten. Aber das müssen wir, mit ihm reden. Unbedingt sogar.
Er ist böse.
Na toll. Und was soll das heißen?
    »Kannst du ihn nicht beschwören oder so? Eine Kerze anzünden, lateinische Sachen murmeln?«, frage ich kauend.
    Niki lächelt schief und angelt sich eine Olive. »Ich kann kein Latein.«
    »Dann versuch’s doch mal auf Englisch.«
    »Ha ha. Sehr witzig.«
    Nachdem sich dieser Tom in Nikis Zimmer nicht meldet, ziehen wir um in den Keller. Es hat sich nicht viel verändert, seit ich das letzte Mal hier war: Über dem Sofa, auf dem ich mich mit untergeschlagenen Beinen niedergelassen habe, hängen noch dieselben Blumendrucke, auf den Aktenschränken stehen die Kieselsteine, der Schreibtisch ist aufgeräumt. Das schmale Fenster darüber steht wie immer offen. Doch dieses Mal kann ich die Straße nicht riechen, weil meine Haut noch nach Niki duftet und nach mir und einer perfekten Mischung aus uns beiden.
    »Versuch es noch mal«, bitte ich und versuche, jetzt nicht an die zurückliegenden Stunden zu denken. Nicht an Nikis Haut. Mich zu konzentrieren.
    »Es hat keinen Zweck.«
    »Noch ein Mal.«
    Niki atmet tief durch, schließt die Augen. Nach einer Weile öffnet er sich wieder und schüttelt den Kopf. »Nein, nichts. Tom antwortet nicht.«
    Ich seufze. Erik ist böse. Böse ist so gar kein echter Begriff. Ich meine: böse. Was ist denn schon böse? Als Kind hat man solche Ausdrücke benutzt. Der böse Wolf und so. »Ich weiß nicht, was ›böse‹ heißen soll.«
    »Böse ist böse. Was soll daran unverständlich sein?«
    »Na, alles.« Ich zucke mit den Schultern. »›Böse‹ klingt ehrlich gesagt ein wenig lächerlich.«
    Niki betrachtet mich stirnrunzelnd. »Ein Toter warnt dich vor jemandem, der böse ist, und du findest das lächerlich?«
    »Sorry. Ich weiß. Klingt alles nur so ein bisschen … vage.« Ich sage vage und meine abgedreht.
    »Vage. Soso.« Niki schüttelt den Kopf.
    Ich setze mich auf dem Sofa zurecht. »Wie böse ist denn böse, was meinst du? Massenmord-böse oder Ich-klaue-eine-Blume-im-Nachbarbeet-böse?« Dann kommt mir eine Idee, auch wenn sie ein wenig abwegig ist. Ich richte mich auf. »Bedeutet das vielleicht, dass er die Briefe geschrieben hat?«
    »Wer er?

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