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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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woanders. Mein Vater ist so tot wie mein Opa. Mit dem sich übrigens Niki blendend versteht. Klingt das nach Ablenkung? Und wie!
    »Zieh dich mondän an«, hat Felix am Telefon gesagt, und ich musste erst einmal googeln, was genau
mondän
eigentlich heißt.
Weltgewandt
. Was mir in Bezug auf Kleidung auch nicht sonderlich half.
    Nach endlosem Starren in meinen abschmelzenden Kleiderschrank habe ich mich für das lederne Etuikleid von Strenesse entschieden, das ich bald bei ebay verkaufen muss. Noch habe ich es nicht übers Herz gebracht. Es passt hervorragend, auch wenn es oben rum etwas eng ist: Anscheinend wächst mein Busen noch. Das ist dann mal eine gute Nachricht. Aus den Stiefeletten, die farblich perfekt zum Kleid passen, lasse ich neckisch zwei weiße Söckchen gucken. Sieht ein bisschen nach 60 ern und einfach toll aus! Die Stiefeletten sind allerdings recht hoch, und ich habe Fußschmerzen, als ich bei Felix ankomme. Aber ich fühle mich dennoch wunderbar. Das Leder schmiegt sich an meinen Körper, und zum ersten Mal kommt es mir wirklich so vor, als würde ich in diese Gegend gehören. Diese ›mondäne‹ Gegend.
    Felix’ Vater, der mir die Tür öffnet, ist begeistert. »Julia! Du siehst hinreißend aus, komm doch rein.« Dann fällt ihm anscheinend ein, warum ich da bin. »Ach, und mein herzliches Beileid«, fügt er hinzu und guckt für einen kurzen Augenblick auch angemessen ernst. »Die anderen sind hinten im Garten«, sagt er dann, während er meinen Mantel aufhängt.
    Die anderen? Ich war aus irgendeinem Grund davon ausgegangen, Felix und ich seien allein. Irgendwie erleichtert mich das. Damit hat sich die Wahrheit-oder-nicht-Frage geklärt.
    Die anderen sind natürlich die anderen aus der Clique. Alle
mondän
angezogen, und wie: Felix trägt einen hellen Leinenanzug und einen dieser geflochtenen Panamahüte. Konrad hat auch so einen Hut auf, kombiniert seine Anzughose jedoch mit einem schwarzen T-Shirt und langer Weste. Mit seinen schwarzen Haaren, den langen Koteletten und dem Drei-Tage-Bart, den er sich gerade stehen lässt, sieht er aus wie ein Auftragskiller der Mafia. Maximilian hat einen dunklen Anzug an, mit dem er gut und gerne an der Beerdigung meines Opas teilnehmen könnte. Anni sieht in ihrem geblümten, tief ausgeschnittenen Kleid eher albern aus, vor allem, weil ein tiefer Ausschnitt bei ihr einfach nicht viel hergibt. Fred allerdings schießt den Vogel ab: Sie hat irgendwoher ein Charleston-Kleid aufgetrieben, ein Stirnband auf und eine geknotete lange Perlenkette um den Hals.
    Felix pfeift anerkennend und sieht mich von oben bis unten an. »Darf ich bitten?«, sagt er dann und bietet mir seinen Arm an.
    Ich muss kichern und hake mich bei ihm ein. Was schon insofern praktisch ist, weil ständig meine Schuhabsätze in den weichen Rasen einsinken.
    Für meine »Ablenkungsparty«, wie sie nun offiziell heißt, haben er und die anderen sich selbst übertroffen. Auf einem runden Tisch steht ein Eiskübel mit Bier, Bio-Limonade und anderen Getränken, davor Teller mit Sandwiches, Kuchen und, soweit ich das erkennen kann, einem Haufen Schokoladenkekse. Auf einem Stövchen dampft eine Teekanne vor sich hin.
    »Mmh, Kekse.« Ich will schon zielsicher auf den Teller zusteuern, doch Annis Kommentar lässt mich zurückzucken.
    »Sie warten nur auf dich«, sagt sie. »Wir durften bislang noch keine anrühren.«
    »Vorsicht spitz«, sagt Felix, und ich denke erst, er meint Anni, doch er zieht mich nur um einen u-förmig gebogenen Draht herum, der im Rasen steckt. »Du zerstörst unser Krocketspiel.«
    »Euer was?«
    »Krocket. Kennst du etwa kein Krocket?« Felix reißt in gespieltem Entsetzen die Augen auf.
    »Äh, nein. Ist das so etwas wie Boule?«
    »Aber meine Dame«, mischt Konrad sich ein, »natürlich nicht. Immerhin gibt es beim Krocket diese putzigen Schläger, mit denen man die Kugeln durch die Tore treibt.« Er drückt mir einen kurzen, schweren Holzschläger in die Hand.
    »O wie gemein. Ihr habt schon geübt.«
    »Nur ein ganz kleines bisschen.« Fred kommt herübergestöckelt. »Felix’ Vater hat uns gezeigt, wie’s geht.« Sie dreht sich zu Felix um. »Aber unsere Schuhe dürfen wir ausziehen, oder? Die sind ein schwerwiegendes Handicap.«
    »Auf gar keinen Fall.« Felix balanciert eine randvolle Tasse Tee zu mir herüber. »Das ist unschicklich. Hier, meine Schöne.«
    »Tee.« Ich verziehe das Gesicht. »Also, ehrlich gesagt, mag ich keinen Tee.«
    »Wer mag den schon«,

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