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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Couchtisch. Söckchen-Couchtisch. Beides zusammen. Gleichzeitig war mir fast schlecht von diesem Achterbahngefühl in meinem Magen. Wir würden doch nicht … Ich meine, das war der Couchtisch! Im Wohnzimmer! Doch Felix erstickte alle Einwände und Zweifel mit seinen Küssen, die ich erwiderte, schob das Kleid hoch, das ich versteigern wollte, beugte sich über mich und dann … Es war so nah und gleichzeitig so weit weg. Als wäre ich gar nicht beteiligt, während Felix’ Gesicht über mir war. Sein Atem meine Wange streifte. Er in mein Ohr stöhnte. Und es ging schnell. Ich glaube, ich habe erst jetzt begriffen, was Sex wirklich bedeutet.
    »Sie … Sie können hier anhalten. Danke«, sage ich. Das Taxi hält am Straßenrand. Felix’ Vater hätte mich eigentlich fahren sollen, hatte aber beim Abendessen etwas getrunken. Also hat er mir stattdessen das Taxigeld gegeben, was mich irgendwie erleichterte. Ich bezahle den Fahrer und schaue im Aussteigen auf die Uhr. Erst halb zwölf: Ich habe noch reichlich Zeit. Warte, bis das Taxi gewendet hat, und sehe den Rücklichtern nach. Erst dann gehe ich weiter.
    Im Gehen streife ich immer wieder mein Kleid herunter. Das Lederkleid. Das ich jetzt bestimmt nicht mehr bei ebay verkaufen kann.
    Dies erste Mal mit Felix war nun wirklich nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Nicht, dass es schlecht war, oder so: In diesen Kategorien kann man das gar nicht messen. Es war alles gut, bis auf die Sache danach, dies Reden.
    »Oh, Julia, es tut mir leid. Ich dachte … ich wusste nicht …«
    Aber es war doch alles gut gewesen, oder?
Ich
war doch gut gewesen?
    »Wir hätten in mein Zimmer … ich meine, du warst so … ich meine, ich war so … Du hast mich so unglaublich angemacht …«
    Das meine ich. Dies Zerreden danach.
    »Komm, lass uns hochgehen. In mein Zimmer. Du hättest etwas sagen müssen.«
    Was denn sagen? Ich bin noch Jungfrau und möchte nicht auf einem Couchtisch entjungfert werden? Lieber Himmel!
    Mit leicht zitternden Händen schließe ich die Wohnungstür auf. Bin so mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, dass ich gar nicht mehr an Klaus denke. An die Uhrzeit. Mache die Wohnzimmertür auf und sehe gerade noch, wie meine Mutter und Klaus auseinanderfahren.
    Was alles nur noch schlimmer macht.
    Sie sind angezogen, klar. Meine Mutter trägt kein Lederkleid und sie tun es auch nicht auf dem Couchtisch, der ja eh viel zu klein wäre. Sie und Klaus stehen mitten im Zimmer und sehen mich schuldbewusst an. Das bringt das Fass zum Überlaufen.
    »Was … was macht ihr denn da? Seid ihr bescheuert? Ihr könnt doch nicht, könnt doch nicht …« Ich kann noch lauter. »Papa ist gerade mal zwei Jahre tot, und ihr … ihr … Das ist widerlich, hört ihr? Widerlich!« Und ich renne in mein Zimmer und schmeiße mich auf mein Bett und zittere und hasse meine Mutter. Weil das immer noch leichter ist, als durcheinander zu sein. Und weil ich nicht weiß, wen ich stattdessen hassen soll.
     
    Als ich aufwache, bleiben mir zwei, drei unschuldige Momente, dann fällt mir alles wieder ein. Ich blicke auf die Uhr und stöhne, presse die Augenlider aufeinander und sehe sofort Felix über mir, sehe in seine graublauen Augen, als er mich mit Nikis Stimme fragt: »Besser als ich?«
    Das genügt. Mit einem Satz bin ich raus aus dem Bett.
    Am Wohnzimmer schleiche ich mich vorbei und bete, dass meine Mutter noch schläft.
    Es ist immer noch still, als ich geduscht, angezogen und zwei Toastbrote später in meinen Mantel schlüpfe. Also schreibe ich ihr eine Nachricht. Es tut mir leid. Aber das kann ich nicht schreiben. Also schreibe ich ihr stattdessen, dass ich lerne und bald wieder da bin. Sie hat ja meine Handynummer.
    Ich muss hier raus. Und es gibt nur einen Ort, wo ich hingehen kann …
     
    »Kaliméra«, sagt Nikis Vater, als er mir die Tür aufmacht.
    Das bringt mich aus dem Konzept. »Was?«
    »Guten Morgen. Und das ist es ja auch: früher Morgen. Sonntags heißt es bei uns meist: jássou.«
    »Oh.« Ich spüre, wie ich rot anlaufe. »Ich bin zu früh.«
    »Nein, nein. Julia, nicht wahr? Komm rein, Julia. Kann er auch ruhig mal früh aufstehen, Nikolaos. Schläft er sowieso viel zu viel.«
    O Gott, wie peinlich. Ich hab gar nicht mehr auf die Uhr gesehen. Jetzt kann ich es allerdings auch nicht mehr ändern und folge Herrn Galanis den Flur entlang und die Treppen hoch. Der Hund ist nirgends zu sehen.
    »Niki? Nikolaos? Besuch für dich.« Herr Galanis klopft

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