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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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sich die unter die Nase zu halten, verliert dabei aber Niki nicht aus den Augen. Und ich? Ich muss lachen. Die Nerven, ich kann nichts dafür. Irgendwann wird einfach alles so irrsinnig, dass keine
Contenance
der Welt mehr etwas nützen kann.
    Ich lache und lache, lege die Gabel hin, lache weiter und stehe auf. »Komm, Niki, ich glaube, wir sollten gehen«, kichere ich.
    »Das wird ein Nachspiel haben«, bellt Justin hinter seiner Serviette, tritt aber einen Schritt zurück, als Niki an ihm vorbeigeht. »Du hörst von meinen Anwälten, du Schleimscheißer.«
    »O gut«, sagt Niki. »Dann merk dir aber auch genau meinen Namen. Felix Seidel. Seidel wie Seide nur mit L. Ich freu mich auf deinen Anruf.«
    »Das wirst du bereuen.«
    »Na hoffentlich!«
    Ich ziehe Niki kichernd mit nach draußen. Wir müssen eine ganze Weile laufen, bis ich mich wieder beruhigt habe. »Das war … das war …«
    »Ja, blöd«, sagt Niki zerknirscht. »Tut mir leid.«
    »Nein, das war wunderbar«, kichere ich. »Ich glaube, das war einer der schönsten Momente meines Lebens. Hoffentlich hast du ihm die Nase gebrochen.«
    »Ja, hoffentlich«, sagt Niki, aber er ist düsterer Stimmung.
    Ich werde wieder ernst. Will nach seiner Hand greifen, doch Niki zieht sie zurück: »Warte, autsch, nicht die hier. Die tut gerade verdammt weh.« Also gehe ich um ihn herum, nehme seine linke Hand und wir laufen schweigend eine Weile.
    »Ganz schön verworren, dies Niki-Felix-Gerede, nicht wahr?«, sage ich leise.
    »Na ja«, sagt Niki.
    »Ich rede heute Abend mit ihm.«
    Niki nickt. »Und was willst du ihm erzählen?«
    »Soviel wie möglich«, erwidere ich.
    »Nicht alles.«
    Nein, das wohl nicht. »Soviel ich kann.«
    Niki schweigt eine Weile. »Naja«, sagt er dann mit einem Rest von Galgenhumor, »dann sollte meine Hand bis morgen auf jeden Fall wieder in Ordnung sein, schätze ich«, und er schüttelt sie leicht.
     
    Der Rest des Tages geht mit Erklärungen drauf. Und langsam, ganz allmählich, schält sich auch wieder die Wahrheit heraus. Sie steht nicht gerade auf hellerleuchteter Bühne, spielt aber wenigstens wieder eine Rolle in meinem Stück.
    Zuerst erzähle ich meiner Mutter von der Vergangenheit mit Justin. Wie er mich ausgespäht, mich in sich verliebt gemacht hat, um mich dann umso grausamer mit dem Doppelleben unseres Vaters zu konfrontieren.
    Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden: Anstatt wütend zu sein, fühle ich mich immer noch schuldig und so entsetzlich gedemütigt. Aber für meine Mutter ist es noch schlimmer, sich das anzuhören, und das hilft.
    Sie weint, ich weine auch ein wenig. Heute ist sowieso ein Tag zum Heulen.
    Danach erkläre ich ihr die Niki-Felix-Verwechslung und wer wer ist. Freilich ohne auf Nikis spezielle Begabung zu sprechen zu kommen.
    »Du hast also zwei Freunde?«, fragt sie, und das verletzt mich.
    Nein, so habe ich das noch nie gesehen. »Niki weiß alles über mich. Wahrscheinlich mehr, als ich selbst. Aber es ist kompliziert. Mit Felix ist das Leben so, wie ich es mir vorstelle. Es ist einfach, leicht. Es macht endlich mal wieder Spaß!«
    Meine Mutter schüttelt den Kopf. »Ach, Julia. Das klingt so, als müsstest du dich irgendwann zwischen beiden entscheiden.«
    »Nein.« Ich schüttele entschieden den Kopf. Da ist nichts zu entscheiden. Ich brauche Felix, aber Niki brauche ich auch.
    Das sage ich Felix natürlich nicht, zumindest nicht so deutlich. Ich erzähle ihm aber, was Niki alles für mich getan hat. Gerade wegen seiner speziellen Begabung. Natürlich muss ich ihm auch von Justin und der Beerdigung erzählen, und das wiederum führt mich zum Tod meines Vaters. Dazu, wo ich eigentlich wohne. Eigentlich weiß er jetzt auch alles. Außer dem Kuss auf dem Friedhof. Der gehört zu meinem geheimen Raum. Den mit dem Stacheldraht ringsherum.
    Wir sitzen in seinem Zimmer auf dem Boden neben seinem Bett. Nebeneinander zu sitzen hat auch seine Vorteile: Man muss dem anderen beim Erzählen nicht ins Gesicht sehen. Es dauert, bis ich fertig bin. Mein Mund ist ganz trocken.
    »Du wohnst also in der Hochhaussiedlung. Zusammen mit deiner Mutter«, stellt Felix als Erstes fest.
    »Oberstes Stockwerk«, sage ich düster.
    »Und das findest du so schlimm, dass du es mir nicht erzählen kannst.«
    »Ich weiß nicht.« So richtig kann ich es nicht erklären, und inzwischen kommt es mir ja selber dumm vor. »Es geht nicht darum, wie groß oder klein unsere Wohnung ist. Ich wollte sein wie früher. All das

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