Zwischen Ewig und Jetzt
haben, was ich früher hatte. Eigentlich war ich damals so wie jetzt, wenn ich hier bei dir bin.«
»Aber so bist du nicht immer.«
Gute Feststellung. »Nein. Es ist viel passiert. Aber ich kann wieder so werden. Ich
will
wieder so werden.«
»Und dann Niki. Niki! Ausgerechnet.« Er stöhnt und es klingt wirklich, wirklich qualvoll. Er sieht mich von der Seite her an. »Du schläfst mit mir, und anschließend gehst du zu Niki?«
»Am nächsten Tag. Ich war
am nächsten Tag
mit ihm verabredet. Schon vorher. Wir wollten noch einmal mit meinem Opa sprechen, habe ich doch schon erzählt. Wir wollten rausfinden, was es mit dem Tod meines Vaters auf sich hat.«
Felix sagt nichts. Er sieht auf seine Finger.
»Felix, du bist mein Freund. Daran habe ich auch Niki gegenüber nie einen Zweifel gelassen.« Zumindest nicht mit Worten.
»Ich weiß nicht …«, beginnt Felix.
»Was weißt du nicht?«
Felix sieht mir wieder in die Augen. »Wenn du leicht und unbeschwert bei mir bist, die frühere Julia, wer bist du dann bei Niki?«
Die Frage trifft mich wie ein Keulenschlag. Ich rette mich mit dem Erstbesten, was mir einfällt, und als ich es ausspreche, hört es sich auch überzeugend an: »Er hilft mir, meinen Vater, meine Vergangenheit wiederzufinden. Und wenn ich die erst einmal habe, bin ich wieder ich selbst.« Doch irgendwas hört sich falsch an.
Felix merkt es nicht. Er nickt. Er hält den Arm hoch und sagt: »Komm her«, und ich kuschele mich an. So sitzen wir eine ganze Weile, während mein Herz pocht und immer wieder diese Frage in meinem Kopf kreist: Wer bin ich, wenn ich bei Niki bin?
Am Tag darauf bin ich recht nervös. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Was Niki macht. Wie Felix das Ganze verdaut hat. Ich treffe mich wie immer zunächst am Bus mit Anni, Fred und Konrad, fahre dann mit ihnen, Felix und Maximilian zur Schule.
Felix schüttelt traurig lächelnd den Kopf, nachdem er mich zur Begrüßung geküsst hat. »Und du Ärmste musstest jetzt also schon dreißig Minuten hierherlaufen.«
»Psst«, sage ich und drehe mich zu Maximilian um, der aber mit Fred knutscht. Nur Konrad beobachtet uns wie immer aufmerksam. Dass ich meine Geschichte Felix erzählt habe, heißt nicht, dass auch die anderen alles über mich wissen müssen. Noch nicht.
Felix und ich gehen Hand in Hand in die Schule, trennen uns erst im Klassenzimmer, als ich mich neben Miriam setze.
»Hast du die Arbeit für Deutsch fertig?«, fragt sie.
»Nein«, erwidere ich kurz angebunden. Ich bin nervös.
Dann kommt Niki, wie immer auf die letzte Sekunde, und ich schaue hoch. »Hallo«, sage ich, »was macht deine Hand?«
Er bleibt stehen, wirft einen kurzen Blick in Richtung Felix, dann sieht er wieder mich an. »Geht schon«, sagt er und macht sie auf und zu. »Dann mal klar für Runde Zwei, was?«
»Das habe ich nicht gemeint«, erwidere ich erschrocken.
»Ich weiß, war nur ein Scherz.« Niki zwinkert mir zu und geht auf seinen Platz.
Nur ein Scherz. Na hoffentlich. Ich kann weder Niki noch Felix während der Stunde im Auge behalten, weil sie beide hinter mir sitzen, springe aber auf, sobald es klingelt.
Felix steht schon. Er geht Richtung Niki, und wir beide treffen uns zeitgleich vor dessen Tisch. Niki erhebt sich.
Felix starrt ihn an. »Also«, sagt er schließlich, »ich mache mit.«
»Wobei?«, fragt Niki.
»Bei der Suche. Wir suchen diesen Anwalt von Julia, damit sie ihr Vermögen zurückkriegt. Und finden raus, was mit ihrem Vater passiert ist.«
»Ah«, sagt Niki, »so arm genügt sie dir wohl nicht?«
Ich schaue ihn schockiert an.
»Glaub mir: Julia genügt mir, und zwar in jeder Beziehung.«
Das wiederum hört sich so anzüglich an, dass ich jetzt Felix entgeistert anstarre. In der Klasse ist es mittlerweile viel leiser als sonst. Die meisten haben mitgekriegt, dass hier etwas Interessantes passiert.
Niki ist blass geworden.
Felix nickt ihm zu und beugt sich vor. »Julia ist meine Freundin, damit das klar ist«, sagt er leise.
»Sie hat nie etwas anderes behauptet.« Auch Niki beugt sich vor und flüstert in sein Ohr. »Aber ich würde nicht nachlassen in meiner Aufmerksamkeit, denn ich bin da. Jederzeit.«
Felix richtet sich wieder auf. »Dann sind wir uns ja einig.« Und er streckt die Hand aus.
»Und wie.« Niki ergreift und schüttelt sie, auch wenn er dabei schmerzhaft das Gesicht verzerrt.
In der Klasse ist es so ruhig, man könnte eine Stecknadel fallen hören.
2 . Teil
5
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