Zwischen Ewig und Jetzt
mit den anderen ins Gebäude. Felix sitzt schon auf seinem Platz, unterhält sich mit Konrad. Als endlich unsere Englischlehrerin kommt und der Unterricht beginnt, schaffe ich es nicht. Ich kann nicht vor der ganzen Klasse sagen, dass ich nicht mit Niki zusammenarbeiten will, also gehe ich schweigend nach hinten.
Niki sieht mich an.
Ich beobachte ihn besorgt. »Schlimm?«
»Naja«, erwidert er. »Laut.«
Wie zum Ausgleich versuche ich nun, ganz leise zu sein. Lege das Englischbuch geräuschlos vor mir auf den Tisch, schlage es auf, suche mir einen Stift. Ich rede kein Wort, als würde es dadurch leerer in seinem Kopf. Als ich mich ihm wieder zuwende, sehe ich, dass das eine Illusion ist: Niki ist bleich, er hat die Augen geschlossen.
»Niki?« Ich berühre ihn am Ärmel seiner Lederjacke.
»Geht schon«, murmelt er. Als er die Augen aufschlägt, möchte ich weglaufen. Ich habe zwar nicht wirklich Ahnung, aber Folteropfer müssen ähnlich gucken.
»Okay, das reicht«, sage ich, packe meine Sachen.
»Warte.« Er will mich am Arm packen, überlegt es sich gerade noch rechtzeitig. »Julia«, sagt er. »Sie redet ständig davon, dich zu sehen. Zu sehen, wo du wohnst, nein, mehr noch: dass es dich gibt. Sie wiederholt ständig, dass sie es schon immer wusste.« Seine Hand zittert.
Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Was kann ich denn nur machen? Das ist nicht mehr zu ertragen. »Mrs Henschel?«, sage ich und stehe auf. »Ich möchte einen anderen Übungspartner. Jetzt. Sofort.« Keine Ahnung, was das auf Englisch heißt.
Alle sehen mich an.
»Julia«, sagt Mrs Henschel in kühlem Ton, »ich hätte Sie eigentlich für vernünftiger gehalten.« Sie betrachtet mich eisig, dann gibt sie nach. »Nun gut, wie Sie meinen. Dann setzen Sie sich bitte an Ihren Platz. Sie müssen wohl alleine lernen, wenn niemand, also niemand von den Anderen, bereit ist …« Ihr Blick wandert über die Klasse. Die Sekunden dehnen sich endlos in die Stille. Es ist fast unerträglich.
Ich sehe rüber zu Felix, und ich lege alles, wirklich alles in diesen Blick. Ich werde lügen, betrügen, alles tun. Wir werden allein sein, sagt dieser Blick, ein Wochenende haben, eine Nacht, unser ganzes Leben. Also bitte. Bitte!
Felix verdreht die Augen. Dann steht er auf. Langsam, zögerlich. »Ich tausche mit Julia«, sagt er wenig begeistert. Ohne eine Erwiderung von Mrs Henschel abzuwarten, schnappt er sich seine Sachen und kommt zu uns herüber. Vor mir bleibt er stehen. Er nickt.
In der Klasse erhebt sich ein Raunen. Es wird getuschelt, Köpfe werden zusammengesteckt.
»Felix?« Das überrascht selbst den alten Englischdrachen. »Nun, ja, das geht natürlich auch.« Sie erholt sich rasch. »Wenn jetzt alle ihren Wunschpartner gefunden haben, könnten wir uns vielleicht wieder der englischen Sprache widmen. Please, ladies and gentlemen, quiet now.«
Ich setze mich auf meinen Platz, weit weg von Niki. Ich weiß, dass er die Stimme immer noch hören kann, die mich umschwirrt wie ein Bienenschwarm, aber jetzt kann er es aushalten. Genaugenommen muss er jetzt nur noch Felix ertragen.
»Konrad? Würden Sie bitte Ihre Sachen packen und nach vorne zu Julia kommen?«
Wenig später lässt sich Konrad auf den Platz neben mich fallen. Er knallt seine Bücher so laut auf den Tisch, dass ich zusammenzucke. Seine Wut ist deutlich spürbar, dafür muss ich ihn nicht ansehen.
»Was läuft hier eigentlich?«, zischt er mir zu. Seine schwarzen Augen funkeln mich an.
Ich schlucke eine bösartige Erwiderung herunter, wende mich ihm zu und lächele bloß. »Ich lerne eben einfach lieber mit dir als mit diesem … diesem Verrückten«, sage ich.
Konrad runzelt misstrauisch die Stirn. »Klar«, sagt er. Klingt nicht so, als ob er mir glaubt.
»Freust du dich schon auf Annis Party?«, frage ich, während ich das Buch aufschlage. Meine Hand zittert.
»Ich dachte, daraus wird nichts«, erwidert mein unfreiwilliger Lernpartner. »Deine Mutter hat was dagegen, hat Felix erzählt.«
»Nein, nein, das klappt schon«, murmele ich. Ich muss nur das tun, was ich immer tue: lügen, dass sich die Balken biegen.
»Deine Freundin Anni? Von der hast du mir nie erzählt.«
»Kann sein. Oder auch nicht.« Ich improvisiere. »Sie hat auch Nachhilfe in Englisch, und du hast doch gesagt, dass ich Kontakte knüpfen, mich nicht nur auf Felix konzentrieren soll.«
Meine Mutter streckt sich. Sie massiert sich den Nacken, und ich ergreife die Gelegenheit.
»Dann
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