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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Anni alle früheren Sticheleien heim.
    »So frühreif sein.«
    »Nein, natürlich nicht. Daran wird es liegen.« Scheinbar gleichgültig liest Fred die Kakaopackung und verzieht das Gesicht. Sie hat die Kalorienangabe gefunden. »Ist ja auch egal«, sagt sie säuerlich und wirft den Rest des Getränks samt Strohhalm in den Papierkorb. »Du hast ja an diesem Samstag Gelegenheit, Konrad zu bearbeiten. Bin gespannt, ob du mit etwas mehr ›Frühreife‹ herausbekommst, wie herum er wirklich tickt.« Sie lächelt spöttisch.
    Anni scheint zu überlegen. Sie sieht erst von mir zu Fred, dann auf das Telefon in ihrer Hand. »Na gut. Wäre doch gelacht …«, murmelt sie entschlossen, bevor sie den grünen Hörer drückt. »Hallo, Frau Winter? Hier ist Anni«, hören wir sie wenig später betont freundlich sagen. »Ich bin eine Freundin ihrer Tochter …«
     
    Annis Haus ist noch größer als das von Felix, falls das überhaupt möglich ist. Nachdem wir im strömenden Regen durch ein rundes Kameraauge auf unsere Echtheit hin überprüft worden sind, öffnen sich die automatischen Türen und geben den Blick frei auf die Auffahrt. Von hier wirkt das Anwesen gar nicht so groß, doch sobald man die Eingangshalle betritt, versteht man, was das Wort »Halle« wirklich bedeutet: Eine ausladende, mit Holzgeländer versehene Treppe führt in das obere Stockwerk, von der Decke hängt ein riesiger Kristallleuchter. Felix und ich treten uns die Schuhe ab, ich streife mir die Kapuze herunter. Wir tropfen auf schwarz-weiß gemusterte Marmorplatten, während die Spiegel an den Wänden den Raum noch größer erscheinen lassen.
    »Mund zu«, raunt mir Felix ins Ohr und hilft mir aus dem Mantel.
    »Wow«, sage ich und streiche mir das feuchte Haar aus dem Gesicht.
    »Wow? Ich persönlich würde ja Schwarz und Weiß nicht mit so viel Gold kombinieren.« Der Junge, der das gesagt hat, sieht Anni auf eine gutaussehende Art ähnlich: Er ist so groß wie sie und ebenso dünn, doch bei ihm sieht schlank aus, was bei Anni nur schlaksig wirkt. Er hat dieselben rotblonden Haare und graue Augen. Bei seiner Schwester ist mir nie aufgefallen, was für eine attraktive Kombination das sein kann. Er lehnt sich an die Wand. »You are wet«, sagt er mit tiefer Stimme und finsterem Blick.
    Ich muss lachen. »Yes. It’s raining.« Ich mag ja eine Niete in Englisch sein, aber die
Rocky Horror Picture Show
kenne ich.
    »Ich bin Erik«, sagt er lächelnd und richtet sich auf. »Und du hast recht: Wow!« Er sieht an mir herunter und pfeift durch die Zähne, worauf ich prompt rot werde.
    »Hallo Erik«, sagt Felix und legt seinen Arm um mich. »Das ist meine Freundin Julia.«
    »Julia. Das ist also Julia«, erwidert Erik ernst und mustert mich noch einmal. Mir wird unbehaglich unter seinem Blick, bis er mit einem Mal breit lächelt. »Mein lieber Schwede, ich sollte mir vielleicht doch überlegen, ob ich heute nicht hierbleibe und den Abend mit euch verbringe.« Er zwinkert mir zu.
    Der Druck um meine Schulter wird fester, aber Felix lacht.
    »Kommt gar nicht in Frage.« Anni taucht aus dem Nichts auf und hakt sich bei ihrem Bruder ein. Tatsächlich, sie sind gleich groß. Und jetzt, in Kombination mit ihrem männlichen Pendant, sieht sie richtig hübsch aus. »Du kannst uns ruhig alleine lassen: Wir sind alle schon erwachsen.«
    Erik nickt, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Das ist es ja, was mir gerade aufgefallen ist. Das und noch einiges andere, was du mir erzählt hast.« Dann räuspert er sich. »Nun gut, alles klar. Ich verabschiede mich jetzt, und ihr habt einen netten Abend.« Er wendet sich an Anni. »Und du hältst dich an das, was wir besprochen haben? Nicht zu viel Alkohol, nicht irgendwohin kotzen. Und die Jungs müssen irgendwann gehen, klar? Ich weiß nicht, wann unsere Eltern wieder auftauchen.«
    »Glasklar.« Anni nickt, greift in die Garderobe und reicht ihm seine Jacke. »Und jetzt: kusch, kusch, wenn du so gut wärst.«
    Während er die Jacke anzieht, sieht Erik aus, als könne er es sich jeden Moment anders überlegen. »Na gut«, seufzt er dann, »ich war ja auch mal jung.« Wieder lächelt er mir zu, und sofort steigert sich meine Gesichtsfarbe von rot zu tomatenrot. »Ich schlafe übrigens hier«, sagt er, an seine Schwester gewandt, »wäre also nett, wenn ihr nicht mein Zimmer benutzt.« Dann verabschiedet er sich.
    »Sein Zimmer, also wirklich«, sagt Anni, als sie die Tür hinter ihm schließt. »Unsere Eltern haben ein

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