Zwischen Ewig und Jetzt
kannst du dich auch mal in Ruhe mit Klaus treffen. Nach all dem Stress, den ihr hattet …« Stress, an dem ich ja nicht ganz unschuldig war.
Meine Mutter zieht auch prompt die Augenbrauen hoch. »Oh, auf einmal so besorgt um Klaus? Ich dachte, du könntest ihn nicht leiden.«
Stimmt. Ich darf es auch nicht übertreiben. »Ich meine ja nur. Es ist so ein Mädchenkram. Wie in diesen amerikanischen Kinofilmen. Ohne Freunde: Anni hat nicht mal einen Freund.« So dicht wie möglich an der Wahrheit bleiben: Ich habe wirklich nichts verlernt. Also kann ich es auch noch ein bisschen ausschmücken. »Wir sitzen rum, tragen Pyjamas und essen Popcorn, gucken Liebesfilme und quatschen.«
Meine Mutter sieht müde aus. Sie war lange auf, letzte Nacht: Ich konnte sie tippen hören. Das Klackern der Tastatur, das mir jetzt jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte für Erwachsene erzählt: Arbeite, spare, lerne. Da ist kaum Platz zum Feiern, für ein bisschen Spaß.
»Dann lade sie doch mal ein, diese Anni, damit ich sie kennenlerne.«
Eben das geht nicht. Meine liebe Freundin denkt nämlich immer noch, wir wären auf Häusersuche, weil es in unserer vergoldeten Appartementwohnung keinen Platz für einen Billardtisch gibt. »Keine Zeit mehr, leider.« Ich verziehe das Gesicht. »Die Party ist doch schon diesen Samstag. Aber sie kann dich anrufen, wenn du willst. Und ihre Eltern wollen auch mit dir sprechen.« Das ist sowieso der Clou, das Elterngespräch. Annis Eltern waren unter der Voraussetzung einverstanden mit der Pyjamaparty, dass ihr großer Bruder auf uns aufpasst. Und keine Jungs eingeladen werden.
Wie blöd denken Eltern eigentlich, sind wir? Wenn Lügen so leichtgemacht wird, ist es irgendwie auch ihre eigene Schuld.
»Ihre Eltern rufen mich an? Nun gut.«
Sag ich ja: Das Elterngespräch zieht.
»Und Felix ist nicht zufällig eingeladen?«
Mein Gesicht ist so neutral wie die Schweiz. »Nein, ist er nicht.« Mann, bin ich gut. Soll ja nicht heißen, dass ich auch noch stolz darauf bin.
Meine Mutter zögert immer noch.
»Mama. Ich kann auch mal einen Abend etwas ohne Felix unternehmen, ohne mich gleich in Sehnsucht nach ihm zu verzehren.« Das ist ja auch das, was sie will. Ich soll Freundinnen haben, ausgehen. Nicht nur an Jungs (und sie benutzt da gerne die Mehrzahl) denken.
Meine Mutter massiert sich noch einmal die verspannten Muskeln, dann zwängt sie sich wieder an den Esstisch und hinter den Computer. »Ich weiß nicht. Ich rede noch einmal mit dieser Anne …«
»Anni.«
»Dieser Anni und ihren Eltern, dann sehen wir weiter.«
Das reicht fürs Erste. Ich gebe ihr einen stürmischen Kuss. »Du bist die Beste«, sage ich. In meinem Zimmer tippe ich
alles klar
in mein Handy,
jetzt Plan B
.
Felix schickt mir einen Smiley zurück.
Plan B gehen wir gleich am nächsten Tag in der ersten großen Pause an. »Nun mach schon, Anni. Ist doch nichts dabei.«
»Nichts dabei, deine Mutter anzulügen? Ich weiß nicht.« Annis schlanke Finger halten mein Handy, als sei es verstrahlt.
»Bei Fred hast du es ja auch gemacht.«
»Freds Eltern kenne ich ja auch. Und die haben sowieso nichts gegen eine Übernachtungsparty, ob mit oder ohne Maximilian.«
Fred, die an einem Kakao schlürft, nickt dazu. »Stimmt. Es ist ihnen nämlich scheißegal, was ich mache.« Sie zuckt mit den Achseln, als sie meinen Blick sieht. »Als ich damals mit Konrad zusammen war, ist meine Mutter mit mir zum Frauenarzt gestiefelt und hat mir die Pille verschreiben lassen. Das ist ihre Auffassung von Fürsorge.« Sie zwinkert. »Dabei war das völlig unnötig.«
Wieso zwinkert sie? »Warum unnötig?«, hake ich nach. Ich bin selten mit den beiden allein und überzeugt davon, dass sie von Pille & Co. nicht in Gegenwart der Jungs sprechen würden. Insofern wäre eine reine Mädchenparty am Wochenende auch spannend.
»Och, Konrad hat andere Interessen.«
»Was denn für Interessen?« Will sie damit andeuten, dass Konrad schwul ist? Ich verstehe nur Bahnhof.
»Das stimmt doch gar nicht.« Anni funkelt Fred wütend an. »Das behauptest du nur, weil er an
dir
kein Interesse hatte. Ihr wart wie alt? Vierzehn? Fünfzehn?«
»An dir scheint er in der Zwischenzeit aber auch kein Interesse entwickelt zu haben. Und wie alt ist er jetzt? Siebzehn? Fast achtzehn?«, ahmt sie die Stimme ihrer Freundin nach.
Annis Augen werden zu Schlitzen. »Müssen ja nicht alle so … so …«
»So was?« Dieses Mal behält Fred die Oberhand. Und zahlt
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